Im Frühjahr 2017 hat Takayuki Daikoku, den ich seit der Galeriegründung 2011 in meiner Galerie vertrete, in der thematische Ausstellung Penetrating Paper: Geschnitten – Gelocht – Gefaltet... eine neue Werkgruppe vorgestellt, die Faltzeichnung. Seitdem hat er sich verstärkt diesem neuen Arbeitsfeld gewidmet und einen ganzen Kosmos geschaffen, der in Zukunft sicherlich für weitere Überraschungen sorgen wird.
Nun kommt zum ersten Mal ein größeres Konvolut an Werken dieser jungen Schaffensphase zusammen. Erst kürzlich habe ich einige Blätter auf der Kunstmesse paper positions berlin Werken von Gil Shachar gegenübergestellt.
Das Hauptwerk aus dieser Werkgruppe ist das große Triptychon RGB in den Maßen 180 x 283 cm, das aus zahlreichen kleinen quadratischen Faltzeichnungen zusammengesetzt ist. Die Einladungskarte zeigt im Innenteil sein Ausmaß: Der Künstler steht davor und wird förmlich vom haptischen und texturierten Glanz umfangen.
Aus der Ferne wirkt die Arbeit wie eine mit Prägungen versehene, lackierte Ledertapete, die mit einem Rombengitter geprägt scheint. Die Gitterlinien sind die Knickkanten des Papiers, also das Sichtbare seiner Faltungen, und lassen dieses sich dreidimensional in den Raum heben, wobei jede der Triptychonbahnen eine eigene Gitterfarbe aufweist. Links sind die Gitterstege grün gefasst, in der Mitte rot und rechts blau. Die Farben lösen somit das Rätsel des kurzen Werktitels, RGB (red, green, blue), auf. Die Rombenflächen schillern ledrig glänzend, leicht metallisch, geschuldet dem Graphit, das der Künstler als letzten Arbeitsschritt aufgetragen hat. Doch ist nicht die ganze Oberfläche in dieser Weise gleichmäßig gestaltet. Vielmehr scheint im Zentrum jedes quadratischen Blattes Rot als Grundfarbe durch, das gelegentlich mit Grün ergänzt wird. Ein verwirrendes Wechselspiel zwischen Rot, Grün und dem metallischen Graphitschwarz entsteht, gerahmt von der Grundfarbe des Rombengitters und dramatisiert durch die Strukturen einer bei jedem Blatt individuellen biomorphen Form. Spätestens hier wird klar, dass es sich um ein Werk von Daikoku handelt, kennt man die Entwicklung seiner abstrakten und biomorphen Zeichnung.
Die Feinheit der Graphitzeichnung ist dem Wesensmerkmal des großes Ganzen, dem Triptychon, strategisch geopfert, da der Künstler wohl in die noch nicht getrocknete Farbgrundierung seine biomorphen Motive vermutlich mit einem Bleistift eindrückt hat. Wird nun im getrockneten Zustand Graphit aufgetragen, mal intensiver, mal reduzierter, entsteht eine dunkle, oszillierende Farbhaut, die an schillernde Fischhaut oder an eine Ledertapete erinnert. Das Papier hat durch die Bearbeitung des Künstlers gänzlich seinen Charakter verloren und hat sich in ein neues Material verwandelt, das zu berühren und zu fühlen das genuine Interesse des Betrachters scheint. Wir sind ja nicht nur Augenmenschen, sondern haben auch noch andere Sinne. Da ist die Hand recht schnell versucht, den Werkstoff zu ergründen, so vielfach erlebt auf der paper positions berlin.
Es ist eigentlich folgerichtig, dass der Bildhauer Daikoku wie auch schon weitere Bildhauer/Künstler aus meinem Galerieprogramm wie Ursula Sax und Gil Shachar –um nur zwei zu nennen –, mit der Papierarbeit in den Raum geht.
Die Vielfalt seiner neuen Werkgruppe ist in RGB konzentriert. Sie zeigt sich zudem auf vielfältige Weise bei den einzelnen kleineren Blättern. Entweder treppen sie sich ab, formulieren eine Zick-Zack-Form, da die Faltungen horizontal ausgerichtet sind, es entstehen strenge orthogonale Gitter, oder es sind Faltungen innerhalb des Papierfeldes erfolgt, die nicht bis zu den Kanten durchgehen und eine ganz eigene 'Landschaft' von Erhebungen und Vertiefungen im Papier erzeugen.
Der Kosmos dieses neuen Arbeitsfeldes wird gerade durch den Künstler ausgelotet. Es ist erst der Anfang!
Die aktuelle Einzelausstellung von Takayuki Daikoku im Straßen-Salon wird im nebenliegenden Galerieraum begleitet von der Einzelausstellung Lumière von Hitomi Uchikura. Auch diese Künstlerin zeigt eine Werkgruppe, die auf Papier gründet. Ein anderer künstlerischer Ansatz ist zu erleben, und doch zeigen beide Künstler, wie sehr Papier als künstlerisches Material und Inspirationsquelle in der japanischen Kultur verhaftet ist.