In ihrer Malerei – doch vor allem in der von ihr bevorzugten Grafik spiegelt sich ihr gesamtes, überaus bewegtes Leben mit seinen zahlreichen Ortsveränderungen wider. Durch sie kam sie mit den unterschiedlichsten Kulturen in Berührung, und sie charakterisieren ihre Pilgerschaft und all ihren ungestillten Wissensdurst. Und durch das ständige Experimentieren mit neuen Techniken, die häufig lediglich in den Fantastereien „gesehen“ werden, von denen ihre Gedanken und selbst ihre Träume erfüllt sind - Gedanken und Träume einer halluzinierenden Vagabundin auf der Suche nach sich selbst - findet sie nach und nach die Aspekte ihrer Verhaltensdynamik wieder. In dieser überaus suggestiven Verbindung entwickeln sich daher auch die ebenso fantastischen Wege ihrer Kunst. Die Rede ist von Caroline Gallois, die meiner Meinung nach die Situationen, welche ihre Lebensumstände möglicherweise spannend, zweifellos jedoch stürmisch gestaltet haben, die zahllosen Schichten ihrer an Erfahrungen so reichen Existenz auf die Leinwand, auf die Druckplatten ihrer Gravierungen und Radierungen überträgt. Dabei gelingt es ihr, diese Begegnung in durch eine außerordentlich feine Sensibilität - die offensichtlich mit ihrer kreativen Begabung verbunden ist und die in manchen Fällen besonders unter schwierigen Umständen zum Ausdruck kommt - gefilterte poetische Bilder zu übertragen.
Caroline wurde in Saigon als Tochter französischer Eltern geboren. In Frankreich werden ihre kulturellen Grundlagen gelegt, nach deren Entsprechungen sie auf ihren Reisen durch Asien und Mexiko sucht. Und dort beginnt sie auch, ihren Lebensweg mit Malerei und Druckgrafik zu begleiten, wofür sie im umfangreichen und alles andere als geordneten Gepäck ihrer zahllosen Emotionen stöbert. Schließlich begibt sie sich aus der Sonne und den gemächlichen Reflexionen, unter denen sie sieben Jahre lang ihre Kunststudien vertieft hat, mit ihrer bemerkenswerten Neigung für alles Neue in eine vollkommen andere Dimension, in die Lebhaftigkeit und Dynamik von New York. Doch die profunden Spuren der Vergangenheit verrät sie nie.
In Florenz lebt sie nun schon seit einigen Jahren, angezogen von der ruhmreichen und maßvollen Vergangenheit der Renaissance, obwohl die Stadt selten in gutem Einvernehmen mit Veränderungen und mit der Mode unterworfenen Anregungen steht. Selbst dann nicht, wenn es sich dabei um solche handelt, die notwendigerweise aus einer chaotischen Evolution der Sitten und Gebräuche hervorgehen. Dennoch hat Caroline hier das richtige Umfeld gefunden – nicht um ihre zahllosen Ideen zu ordnen (die ständig ihrer Erinnerung entfließen, als lägen sie in einem immerwährenden Streit mit dem Zwang, den dieses fantastische Sammelbecken ausübt), sondern weil sie an diesem toskanischen Ort neuen Zauber und antike Poesie gefunden hat. Die Poesie des wunderbaren Dichters Dante Alighieri, der als einer der ersten Verse in der italienischen Volkssprache, dem Vulgare, geschrieben hat. Der Fluss Arno und die Göttliche Komödie bilden also die Kapitel dieser neuen Geschichte, und Caroline fügt sie nicht als ausgetüftelte Planungen in ihre grafischen Experimente ein, sondern akzeptiert sie instinktiv als geistige Anregung. Als erstes hat sie dort über die Verse und die Person Baudelaires das Echo der Liebe eingebracht, die großen Intuitionen, durch welche sich die große Persönlichkeit des französischen Dichters entwickelt hat, seine Fragmente, seinen mentalen Überbau, die Begeisterung Baudelaires für den Orient, seine Lebensweise und vor allem seine Auffassung von Schönheit und Leben, die in ihrer Erinnerung durch die Lektüre der Fleurs du mal kodifiziert sind. Und schließlich, alles überlagernd, auch die Erinnerung an die während ihres Aufenthalts in Mexiko gesehenen und tief empfundenen Farben. Und sie nahm rasch die Verführungen der Inkakultur in ihnen wahr.
All dies vielleicht mit einer gewissen chronologischen Unordnung, die im Übrigen in der Arbeit Carolines keine Rolle spielt. Es gelingt ihr jedes Mal wieder, eine gelebte Situation fragmentarisch aufzugreifen und ihr einen bedeutenden Bruchteil des neuen grafischen Projektes einzugliedern. Daraus geht Schritt für Schritt eine aus anscheinend autonomen einzelnen Kapiteln zusammengesetzte Geschichte hervor. In Wirklichkeit sind sie jedoch durch einen überaus dünnen Faden verbunden, den die Gallois im literarischen Stoff ihrer eigenen Kultur abwickelt. Und dies bildet den Hintergrund aller Unternehmungen der Künstlerin, in Malerei und Grafik, sodass es schwierig ist, die Wirksamkeitsebenen für eine in jedem Fall als Vorwand dienende Katalogisierung zu trennen.
Im Laufe der Zeit haben die Techniken eine grundlegende Bedeutung im grafischen Werk von Caroline Gallois erlangt, da sie jedes Mal neu erfunden werden, um einzigartige Wirkungen hervorzurufen, um ausschließlich ein bestimmtes Gefühl auszudrücken, das in den folgenden Erfahrungen nur schwer wiederholt werden kann. Und dies ist unumgänglich, da das Empfinden immer wieder auflebt und aus dem Bewusstsein der Künstlerin auf ungestüme Weise hervorbricht. Sie verlangt nach Nuancen, die für eine bildliche Darstellung nicht geklont werden können. Bisher hat Caroline also in Florenz vor allem zwei große literarische Vorlieben gepflegt: Dante und den Arno. Grafisch mit zahlreichen technischen Einfügungen neuen Gepräges wieder vorgelegt, die das Verhältnis zur Stadt und ihrer Kultur noch verstärken, hätten sie die Malerei in eine Ecke gedrängt.
Doch nur scheinbar: die Künstlerin erobert genau in dem Moment, in dem sie in der Grafik an das Limit technischer Grenzüberschreitung gelangt, weniger abenteuerliche Aspekte zurück, indem sie eine bestimmte Art der Farbabrasion vornimmt, und dann Farben wie mit Pinsel oder Spachtel aufträgt. Daraus ergibt sich ein Zusammenspiel, das der Malerei einen wirkungsvollen Platz einräumt. Ganz zu schweigen von der vollkommenen Bildauflösung, wenn sie selbst noch die Druckgrafik durch Aquarelltechnik, die den Farben Kraft und Leben schenkt, vollendet.
In Dantes Göttlicher Komödie wird das Abenteuer Carolines von ihrer einfühlsamen Teilnahme am Vers dominiert, also von der Poetik, die sie versucht, sich zu eigen zu machen, indem sie sich dem von den literarischen Bildern vorgegeben Rhythmus hingibt, welche sie mit gewagten Überlagerungen von Texten aufgreift und interpretiert. Und mit harmonisch gezeichneten Figuren. Ich bin davon überzeugt, dass diese Kunst, mit welcher die Gallois allmählich ihre eigene Existenz beschreibt, dazu bestimmt ist, sich andere, ungewöhnliche Bilder zunutze zu machen, die den komplexen technischen Verlauf bereichern werden. Diese werden auch den wichtigen Kontakt aufrecht erhalten, den die unbezähmbare Caroline mit ihrem eigenen, intimen Bild beibehalten wird, das sie immer physiognomisch hinterfragt, bevor sie es vor den Spiegel des Lebens stellt. Sowohl in ihrer Grafik als auch in den Gemälden.
Text von Tommaso Paloscia
Übersetzung: Bianca Roehle
roehle@libero.it