Die zugemauerte Tür einer S-Bahn im April 2015 versetzte Hamburger Pendler und Passanten in Erstaunen und Ermunterung; erst später deckte ein veröffentlichtes Video die Urheberschaft auf und verlieh der ganzen Aktion einen performativen Charakter. Moses & Taps, die für ihren konzeptionellen Umgang mit dem Ursprungsmedium Graffiti längst international bekannt sind, gehören zur Avantgarde der Szene. Der Hamburger Galerist und Blogger Rudolf D. Klöckner ordnet ihre Arbeiten einem Genre zu, das er treffend mit „Konzept-Vandalismus“ bezeichnet. Dahinter verbirgt sich ein spielerischer Umgang mit den ungeschriebenen Regeln der Graffiti Szene einerseits, andererseits werfen die Arbeiten immer wieder Fragen des gesellschaftlichen Umgangs mit dieser Kunstform auf. So kann der Schriftzug $ellout, geformt aus rund 70 Dollarscheinen, als Kritik an den Markt verstanden werden, der sich die frei auf der Straße verfügbaren Werke aneignet; der Coca-Cola Schriftzug, der als Wholecar einen ganzen S-Bahn-Waggon bedeckte, stellt hingegen die Verunstaltung der Städte durch allgegenwärtige Werbebotschaften in Frage, während Graffiti von der Obrigkeit missbilligt wird.
Aktionen wie diese führen zu einem ganz neuen Wiedererkennungswert, der über Writing Skills und Farbwahl hinausgeht. Bis es so weit kam, mussten Moses & Taps allerdings einen längeren Weg zurücklegen. Unabhängig voneinander fanden die beiden bereits in den frühen 90er Jahren ihren Weg in die Graffiti Szene; seit 2007 arbeiten sie kollaborativ miteinander. Nachdem sie Ihre Namen durch Tags, Throw-Ups und Pieces in die Welt getragen hatten, kamen allmählich auch wiedererkennbare Farbwerte hinzu, die heute zur Corporate Identity des Kollektivs gehören: Gelb und Cyan Blau. Daraufhin war es dann nicht mehr unbedingt nötig ihre Pseudonyme zu hinterlassen, die Farben alleine genügten nunmehr, um auf ihre Autorenschaft zu verweisen.
Mit Blick auf die Serie Splash™ nimmt Farbe sogar eine autonome Rolle ein, wobei sich Moses & Taps hier nicht auf Gelb und Blau beschränken. In sämtlichen Farbschattierungen entstehen expressive Farbwolken, Splashes, die durch Aufstechen der Sprühdosen in kurzer Zeit große Flächen bedecken. Spätesten an diesem Punkt ist klar, dass die traditionell geltenden Regeln des Graffiti entkräftet sind. Moses & Taps haben es geschafft eine Marke zu etablieren, die sich durch kreativen Umgang mit den Medien der häufig gescholtenen Straßenkunst und immanenter Kritik am Umgang der Obrigkeit mit dieser auszeichnet.
Nach der völligen Auflösung der Formen und Konturen bei den Splash-Arbeiten haben Moses & Taps aber auch die klassischen Formen des Graffiti nicht aus den Augen verloren, wovon die Serien Image Of Graffiti™ und Scratchiti™ zeugen. Diese sind unter anderem Teil der Ausstellung Schöpferische Zerstörung, die dem Gedanken folgt, dass für den Schöpfungsakt zunächst etwas Vorhandenes zerstört werden muss. Sämtliche gezeigten Serien spielen auf bildlicher oder materieller Ebene mit Dekonstruktion und Neuarrangement. Die Verlagerung ihrer Arbeiten von der Straße in den Galerieraum ist allerdings nicht als Domestizierung der ursprünglichen Straßenkunst zu verstehen, sondern spiegelt den expansiven Drang des Graffiti wieder, der sich lediglich eine weitere Aktionsfläche im öffentlichen Raum aneignet.