Seit dem Brexit und der Wahl von Donald Trump im vergangenen Jahr hat sich die Welt drastisch verändert. Währenddessen eskaliert der Krieg in Syrien immer mehr. In diesen düsteren Zeiten stellt sich wieder einmal eindringlich die Frage nach politischem Engagement in der Kunst. Aber kann Kunst allein die Welt verändern? Vielleicht kann sie es nicht, aber trotzdem verbergen zeitgenössische Künstler nicht ihre tief empfundene Ambivalenz gegenüber der aktuellen sozioökonomischen Lage.
Sechs außerordentliche Künstlerinnen und Künstler kommen im Sommer 2017 zur Gruppenausstellung Revolte bei Eigen + Art zusammen, um die ambivalenten und doppelbödigen Beziehungen zwischen Ästhetik und gesellschaftlicher Realität, zwischen Macht und Demokratie zu erkunden. Diese Kunstschaffenden – Birgit Brenner, Stef Heidhues, Christine Hill, Lada Nakonechna, Ricarda Roggan und, als einziger Mann, Jörg Herold – lehnen es ab, in Hoffnungslosigkeit zu versinken und sich mit der Entmachtung abzufinden. Mit ihren Werken suchen sie nach Wegen, einen kritischen Moment in der ästhetischen Erfahrung zu bewahren, ohne dabei Massenkultur, Massenproduktion oder deren vermeintlichen Gegenpol, Kunst allein um der Kunst willen, zu legitimieren. Ihr gemeinsames Medium ist Ambivalenz.
Diese Ambivalenz wird in Birgit Brenners spannungsgeladenen Kartonstrukturen am deutlichsten. Ihre aufrüttelnden Montagen gehen unter die Haut und weisen unmittelbar auf die direkte Ursache des Unbehagens.
Die politisch aktive Künstlerin Lada Nakonechna aus der Ukraine präsentiert zwei Arbeiten, die den Gebrauch und Missbrauch von Sprache zur Erreichung politischer Ziele hinterfragen. Bei Negotiation Table (Verhandlungstisch) zeigen sich die Fotos von Journalisten, die während der politischen Proteste auf dem Maidan 2013/14 brutal geschlagen, verhaftet und als „Verräter" bestraft wurden, als Schachfiguren auf dem Spielbrett der Politik.
Spannungen und Mehrdeutigkeiten in der Darstellung sind das zentrale Thema der Keramikhelme von Stef Heidhues, für die sie das Material auf unerwartete Weise einsetzt.
Der wichtigste Abkömmling der Revolte – die Revolution – wurde ebenfalls entwertet, herabgewürdigt und seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt. Und das ist nicht das Einzige, was man von Christine Hills Revolution Fleamarket (Revolutions-Flohmarkt) mitnehmen kann.
Ricarda Roggans konzeptionelle Fotos von DDR-Wahlkabinenmobiliar, sorgfältig so arrangiert, wie es in einem verlassenen Raum gefunden wurde, sind hingegen weit entfernt von jeglicher Nostalgie oder Romantik.
Auf ähnliche Weise hinterfragt Jörg Herold die Macht der Propaganda, mit der in der DDR die Arbeiterklasse idealisiert wurde. Mit seinem Film aus dem Jahr 1985 wirft er uns zurück in die Endphase des Kommunismus in Osteuropa und zeigt uns die diesem Moment eigene Ambivalenz dieser Art von Propaganda, die angesichts der fehlenden Möglichkeit freier Meinungsäußerung absurd wirkt.
Da die Mitwirkenden nicht angetreten sind, die Bedeutung von Revolte zu restrukturieren, setzen sie uns keinen propagandistischen oder nihilistischen Botschaften aus. Unter dem gemeinsamen Banner der Revolte legen ihre Arbeiten vielmehr die in sich widersprüchliche Geschichte und Bedeutung der Revolte bloß. Somit offenbaren sie auch die persönliche Ambivalenz ihrer Schöpferinnen und Schöpfer gegenüber der Revolte. Ein schriller Ton in einem Jahr, das sowohl das 100-jährige Jubiläum der Russischen Revolution als auch Trumps Amtseinführung markiert.