Meine Arbeit handelt von Bewegung – es gibt immer zwei – eine für und eine dagegen. Die Dominanz der einen über die andere ist temporär.
(Zvi Hecker, Juni 2017)
In seiner zweiten Einzelausstellung in der Galerie Nordenhake Berlin zeigt Zvi Hecker eine in ihrer Reduktion und Symbolkraft radikale ortsspezifische Installation. Beim Betreten der Galerie überquert der Besucher zunächst einen grünen Streifen Kunstrasen, der sich wie eine malerische Spur an der Längsseite des Raumes über den Boden zieht und am letzten Wandpfeiler halt macht. Auf der gegenüberliegenden Fensterseite zieht sich ein zweiter grüner Streifen entlang bis ungefähr zur Mitte des Raumes. So zueinander versetzt scheint es, als würden die Farbstreifen die Raumlängen symmetrisch verschieben und den Raum in Bewegung versetzen. Die Farbstreifen greifen in Länge und Breite die Maße von Durchgängen und Pfeilerabständen der Galerieräume auf und aktivieren bewusst den Boden und die Horizontale.
Die Verwendung von Kunstrasen als Material entspricht einerseits der Praxis des Künstlers einfache und allseits verfügbare Materialien zu nutzen. Andererseits bilden die inhaltlichen Zuweisungen für diese minimale Intervention einen interessanten Kontrapunkt, hat Kunstrasen doch als industrielles Massenprodukt, nach dem Fußballplatz, seinen quasi domestizierten Einzug in Vorortsiedlungsgärten und auf städtische Balkone gemacht. Wichtiger womöglich ist allerdings die Farbgebung des Kunstrasens, die ein Echo des üppigen Grüns der Linden vor dem Fenster ist und direkt aus der kräftigen Farbpalette des Künstlers gegriffen zu sein scheint. Einige seiner farbintensiven Malereien sind während der Ausstellung in der Galerie zu sehen.
Zvi Hecker beschreibt mit Crusaders Come and Go (Kreuzritter kommen und gehen) das unablässige Ringen zweier gegenläufiger Bewegungen, zweier gegenläufiger Kräfte. Die Verschiebung von statischen Raumgefügen, das Motiv der Bewegung, sind paradigmatisch für die Praxis des Künstlers, die Architektur, Malerei und Zeichnung miteinander verschränkt. Seine experimentellen Raumarbeiten und Architekturen zeichnen sich häufig durch eine modulare Ästhetik aus und sind eher als unvollendet oder `work in progress´ zu begreifen. Gestaltungsprinzip sind dabei meist geometrische Strukturen, die ihre Vorbilder in der Natur haben wie etwa die logarithmische Spirale der Sonnenblume für seinen preisgekrönten Bau der Heinz Galinski-Schule in Berlin oder sein legendäres Spiral Appartement House in Tel Aviv und die liegende Acht der Möbiusschleife für das Educational Museum of Art in Palm Springs, Kalifornien, jeweils Bilder für das Unendliche, Unvollkommene.
Zvi Hecker verdichtet in seiner Intervention in der Galerie Nordenhake Prinzipien seiner Architektur, die, wie Eyal Weizman anschaulich beschreibt, „Bewegung [ist], die sich in Form verlangsamt. [...] Die Gebäude umgeben, umhüllen und verstricken [uns]. Sie sind keine Dinge, sie sind Umwelt, optische Geräte, die Wahrnehmungsperspektiven anbieten und arrangieren.“
Zvi Hecker wurde 1931 in Krakau geboren und lebt in Berlin. Er studierte zunächst an der Universität von Krakau, bis er schließlich 1950 nach Israel emigrierte, wo er Architektur am Technion (Institute of Technology) in Haifa studierte sowie später Malerei am Avni Institute of Art and Design, Tel Aviv. Einzelausstellungen hatte er u.a. im ORIS-House of Architecture, Zagreb (2017); Southern California Institute of Architecture (SCI-Arc), LA; Museum für Architektur, Breslau (beide 2015); Kabinet architektury -Dům umění / GVUO Ostrava (2014); ABC Architecturcentrum Haarlem/NL (2003); Deutsches Architekturzentrum (DAZ), Berlin (1998); Kunsthaus Hamburg (1997); Jüdisches Museum, Berlin; Martin-Gropius-Bau, Berlin; Tel Aviv Museum of Art; Lehmbruck Museum, Duisburg (alle 1996), und im The Israel Museum, Jerusalem (1976). Arbeiten von Zvi Hecker befinden sich in den Sammlungen des Centre Pompidou in Paris, MoMA in New York, Israel Museum in Jerusalem, Jüdisches Museum und Berlinische Galerie in Berlin. Hecker repräsentierte Israel auf der 5. Architektur-Biennale von Venedig (1999) und nahm an der 6. (1996), 7. (2000), 9. (2004) und 10. (2006) Ausgabe teil. Er erhielt 1995 den Deutschen Kritikerpreis für Architektur für den Bau der Heinz Galinski-Schule in Berlin, 1999 den Rechter Preis für Architektur in Tel Aviv, im Jahr 2013 die Ehrenmitgliedschaft des America Institute of Architects (AIA) und wurde 2016 mit der Merentibus-Medallie der Technischen Universität Krakau ausgezeichnet.