Helmut Newton hatte bei der Gründung seiner Stiftung im Jahr 2003 verfügt, parallel zu seinem eigenen Werk anderen Fotografen hier ebenfalls ein Forum zu bieten. Dieser Wunsch wird auch posthum umgesetzt, und diesmal sind es zwei ungewöhnliche Projekte befreundeter Kollegen: Mario Testino und Jean Pigozzi.
Testinos „Undressed“ ist eine ortsspezifische, für die Helmut Newton Stiftung exklusiv konzipierte Installation aus Mode- und Aktaufnahmen, darunter zahlreiche unveröffentlichte Studioporträts. Bei dieser Bildauswahl geht es um die Visualisierung und Materialisierung des „Ausziehens“, um eine Analyse der Übergänge von Mode, Erotik und Anatomie, welche uns einen tiefen Einblick in Testinos Archive und Arbeitsmethodik gewährt. 50 überlebensgroße Porträts werden direkt auf die Wände der drei Ausstellungssäle geklebt, wobei die Bilder selbst bis in die Ecken und hoch zur Decke reichen. Diese außergewöhnliche Präsentationsform, die in Testinos Werk und in der Ausstellungshistorie der Stiftung ohne Vergleich und Vorbild ist, füllt den Raum mit Körpern und Emotionen an.
Die abgelichteten Menschen – Frauen und Männer in ihren Zwanzigern und Dreißigern – sind teilweise unbekleidet und großflächig tätowiert; ihre Nacktheit wird jedoch so natürlich dargestellt, dass es niemals obszön oder pornografisch wirkt. Auf anderen Aufnahmen wird die Haut der Modelle nur spärlich durch Mäntel, Badeanzüge oder Unterwäsche bedeckt. Testino hat die Modefotografie mit der Kunst verquickt, denn seine Motivwahl ist seit jeher durch Alte Meister der Kunstgeschichte inspiriert. Von Helmut Newton wurden Originalabzüge unterschiedlicher Formate aus dem Stiftungsarchiv ausgewählt, die bislang überwiegend noch nicht gezeigt wurden. Sie ergänzen das bekannte Werk Newtons, darunter Porträts von Jeremy Irons im Londoner Hotel Ritz oder von Michael Gross in einem Dortmunder Schwimmstadium, sowie Aktaufnahmen in einem italienischen Weingut oder für ein Ballett von Jan Fabre. Newton kombinierte Nacktheit und Mode sehr subtil – und macht uns Bildbetrachter bis heute unweigerlich zu Voyeuren. So begleiten und kommentieren Newtons Aufnahmen den Wandel der Rolle der Frau in der westlichen Gesellschaft jener Zeit. Dieser Aspekt ist für sein gesamtes Werk voller zeitloser Eleganz zu konstatieren – und das Gleiche gilt für Mario Testino.
In June´s Room zeigt die Stiftung „Pool Party“ von Jean Pigozzi; eine ebenfalls installative Präsentation von kleinformatigen, schnappschussartigen Aufnahmen rund um Pigozzis Swimming Pool am Cap d’Antibes, wo sich neben Helmut und June Newton auch zahlreiche andere Prominente entspannten oder ausgelassen feierten. Jean Pigozzi, Kunstsammler und internationaler Geschäftsmann, war bereits 2008 mit Porträts und Selbstporträts in der Paparazzi-Ausstellung der Helmut Newton Stiftung vertreten. Wieder sind es spontane und private Freundschaftsbilder; sie entstanden am Pool, nahe der von Ettore Sottsass 1953 für Pigozzis Vater Henri erbauten Villa Dorane. Wir begegnen in den Aufnahmen u.a. Mick Jagger und Bono, Liz Taylor und Naomi Campbell, also vielen Modellen, die auch Newton porträtierte.