Anlässlich der Schenkung von 15 bedeutenden Werken und Werkkomplexen von Hanne Darboven an die Nationalgalerie durch Susanne und Michael Liebelt widmet der Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin dieser wichtigen Vertreterin der Konzeptkunst in Deutschland eine Ausstellung. Die Nationalgalerie verfügt damit über Werke aus allen Schaffensphasen der 2009 verstorbenen Künstlerin.
Die Ausstellung „Hanne Darboven. Korrespondenzen“ zeigt Zeichnungen, Zahlenkonstruktionen und serielle Bildfolgen der Künstlerin, die in Auseinandersetzung mit der Minimal und Conceptual Art entstanden sind. Diese Werke werden mit Postsendungen von 1967 bis 1975 kombiniert, wodurch die Etablierung und Pflege eines dichten Netzwerkes von Künstlerinnen, Kuratorinnen und Freund*innen erkennbar wird. Vor ihrem Tod hat die Künstlerin aus dieser Zeit etwa 1.150 Briefe, Postkarten, Skizzen, Pläne und Fotografien ausgewählt und unter dem Titel „Korrespondenz“ für die Öffentlichkeit bestimmt. Dieses Konvolut aus dem Besitz der Hanne Darboven Stiftung gibt bislang unbekannte Einblicke in den Werkprozess der Künstlerin sowie das Kunstsystem um 1970. Nachdem die Briefwechsel der „Korrespondenz“ 2016 in einer von der Liebelt Stiftung Hamburg ermöglichten Faksimile-Edition publiziert wurden, wird das Konvolut nun erstmals ausgestellt.
Auf diesem Weg tritt eine Figur in den Vordergrund, die neben der Künstlerin, Sammlerin und Komponistin bislang im Schatten stand: Hanne Darboven, die Briefstellerin und ihre unbändige Lust am Schreiben. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl der bei Hanne Darboven eingegangenen oder von ihr verfassten Sendungen an langjährige Freunde. Denn insbesondere zwischen Carl Andre, Roy Colmer, Isi Fiszman, Sol LeWitt, Lawrence Weiner und Mitgliedern der Familie wurden hunderte Briefe ausgetauscht. Zudem finden sich Nachrichten von und an Kollegen (Daniel Buren, Gilbert & George, Reiner Ruthenbeck oder Ruth Vollmer), Sammler (Giuseppe Panza di Biumo, Karl Ströher, Mia und Martin Visser), Kuratoren (Johannes Cladders, Douglas Crimp, Kasper König, Lucy Lippard), Galeristen (Leo Castelli, Konrad Fischer oder Adriaan Van Ravesteijn von Art & Project). Die Ausstellung nimmt diesen postalischen Austausch zum Anlass, auch nach künstlerischen Korrespondenzen mit den befreundeten Briefpartnerinnen zu fragen. So werden Darbovens Werke aus den Sammlungen der Nationalgalerie, des Kupferstichkabinetts und der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin zusätzlich durch Arbeiten von Künstlerkolleginnen wie Carl Andre, Bernd und Hilla Becher, Daniel Buren, Jan Dibbets, Sol LeWitt und Lawrence Weiner ergänzt, mit denen die Künstlerin in engem Austausch stand
Neben den zentralen Schaffensprozessen der Künstlerin dokumentiert die Ausstellung somit zugleich die Ausdifferenzierung des Kunstsystems seit Ende der 1960er-Jahre. Die Briefe erzählen etwa von der Konzeptkunst mit ihren Dematerialisierungstendenzen, von performativen Schreibverfahren, auktorialer Vielstimmigkeit, Identitätsstiftung durch Erinnerungen, einer Totalisierung von Arbeit in Zeiten postmaterieller Strukturen, aber auch von der Lust am Schreiben sowie der einsetzenden Globalisierung der Kunst – Themenfelder, die heute künstlerisch wie gesellschaftlich gleichermaßen aktuell sind. Diese Themen der „Korrespondenz“ wurden auf acht thematisch gegliederte Räume verteilt und mit Werken von Hanne Darboven und ihren Korrespondentinnen verschränkt, damit die Besucherinnen und Leser*innen an unterschiedlichen Stellen und auf verschiedenen Levels ein-, um- und zusteigen können, um die Verflechtungen und Überlagerungen von Briefwechseln, künstlerischem Schreiben und eigenständigen Wand- oder Bodenarbeiten zu erkunden.