Die Ausstellung „Raimund Kummer. Sublunare Einmischung“ im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin zeigt vier raumgreifende plastische Werke des Berliner Bildhauers aus verschiedenen Phasen seines Schaffens. Die zwischen 1979 und 2017 entstandenen Arbeiten befassen sich mit dem Thema des Sehens und werden erstmals zusammen in einer Werkschau präsentiert.
„Jeder Ort kann ein möglicher Ort für Kunst sein.“ Raimund Kummers (geboren 1954) Interventionen im urbanen Stadtraum seit Ende der 1970er-Jahre sowie die von ihm entwickelten Präsentationsformen verdanken sich einem Kunstverständnis, das Entstehungsort und Ort der Veröffentlichung des Kunstwerks nicht mehr voneinander trennt. Die daran anknüpfenden Werke – temporäre Installationen, Sound, Fotoinszenierungen, Skulpturen und fotografische wie filmische Werke – lassen sich auf den Ausgangspunkt von Kummers Schaffen zurückführen: den Realraum.
Der Titel „Sublunare Einmischung“ ist ein poetischer Verweis auf die Frage nach dem Licht und des Sehens als Möglichkeitsformen der Erkenntnis. Dabei ist „Einmischung“ ein Aktionsbegriff, der durch das Attribut „sublunar“ ins Kosmische versetzt wird. Dies beschreibt das grenzenlose Betätigungsfeld von Kunst und den genreübergreifenden Rahmen von Kummers Œuvre. Wesentlich für seine Skulpturen ist eine aus der experimentellen Materialbeziehung gewonnene Fragestellung und ihre praktische Beantwortung, nicht der theoretische Diskurs konzeptueller Entwürfe.
Die Ausstellung beginnt mit der Lichtbildprojektion Skulpturen in der Straße (1978/1979) aus der Sammlung der Nationalgalerie, die aus Fotografien zufälliger Konstellationen von gelagerten Materialien, Baustellen und Vorgängen besteht. Als Kritik an der Akademisierung von Konzeptkunst und Minimal Art Ende der 1970er-Jahre bezieht sich das Werk auf die Strategie einer im Realraum gefundenen Ästhetik.
In Mehr Licht (1991), ebenfalls aus der Sammlung der Nationalgalerie, thematisiert Kummer das Sehen, aber auch die Blindheit als einflussreiche Prozesse des Erkenntnisgewinns und Verlustes. Die Bodenskulptur setzt sich aus transparent-kristallinen, an Augenprothesen erinnernde Glasobjekten und einem in Glasscheiben übertragenen und zerlegten Diagramm einer Augenkrankheit zusammen. Kummer hat das Material Glas in Form monumentaler Bodenskulpturen in die Bildhauerei eingeführt.
Der Raum νόστος – ἄλγος (2012) greift im Sinne der Dialektik von Erinnerung und Utopie, die „nostalgische“ (griech.: nóstos álgos) Qualität progressiven Denkens auf. Es geht Kummer in dieser aus 81 Diaprojektoren bestehenden Projektionsmaschine sowohl um die skulpturale Dimension von künstlich erzeugtem Licht, als auch um inhaltliche Fragestellungen.
Die permanente Ambivalenz der Projektion zwischen Schatten und Licht und ihrer zufälligen, nicht definierbaren Erscheinungen, öffnet einen unverstellten Raum für die Gedanken des Betrachters. Licht ist traditionell mit Ideen verbunden, die unumkehrbar aus dem Dunkel hinausführen („Licht am Ende des Tunnels“).
Der sich kontinuierlich erweiternde Werkblock On Sculpture (1979–2017), zeigt das umfassende Reflexionsfeld Kummers über Möglichkeitsformen von Skulptur. Die aufgestapelten Archivkartons bilden ein skulpturales Betrachtungsdispositiv, in dem über 400 Fotografien zusammengeführt werden.
Unter dem Titel unterwegs / out and about trafen sich Raimund Kummer und Eugen Blume, Kurator der Ausstellung, an Orten von biografischer Bedeutung für den Künstler, die inspirierend für zentrale Werke sind, an denen Interventionen stattfanden oder an denen öffentliche Skulpturen permanent realisiert worden sind. Die dabei entstandenen Kurzfilme wollen eine Verbindung zwischen dem Ort, dem Künstler, dem Kunsthistoriker und dem Ausstellungsbesucher herstellen. unterwegs / out and about vermittelt Motive, Handlungsformen, Betrachtungsweisen und Haltungen des Künstlers.