Die Galerie Michael Janssen zeigt mit The Hamsun Sessions #5 die erste deutsche Einzelausstellung des Norwegischen Künstlers und Autors Thomas Kvam. Die Ausstellung besteht aus einer Serie konzeptueller Malerei, die auf den psychiatrischen Sitzungen Knut Hamsuns in den 1920er Jahre basieren.
Die hochformatigen Leinwände sind von Nähten durchzogen, durch die der Eindruck eines Horizonts entsteht. Sie rufen formal nicht nur die fotografischen Seelandschaften von Hiroshi Sugimoto ins Gedächtnis, sondern auch den Kanon westlicher Malerei, so wie er von Mark Rothko definiert wurde. Gleichzeitig verweisen die Nähte auf einen Ort, der vertraut und profan ist. Die horizontalen Felder erinnern an Bettlaken und Kissen, an ein abstrahiertes Doppelbett, dem Ort von Träumen, Albträumen und Sexualität. Eine feine, nicht zu entziffernde Schrift überzieht die Leinwände, und die Bilder werden zu verträumten Hintergründen für ihr rätselhaftes Herzstück: die unveröffentlichten Notizen des Psychoanalytikers des norwegischen Schriftstellers Knut Hamsun.
Nachdem er den Literaturnobelpreis 1920 erhalten hatte, sah sich der notorisch produktive Hamsun mit einer Schreibblockade konfrontiert. Abhilfe hierfür fand er auf dem Diwan eines Psychoanalytikers. Die Therapie begann 1926, und es sind die Notizen dieser Sitzungen, niedergeschrieben von seinem Analytiker Dr. Johannes Irgens Strømme, welche den Bildern innewohnen. In einer persönlichen Variante der Gabelsberger-Kurzschrift geschrieben, sind Dr. Strømme’s Beobachtungen der Sitzungen nie entschlüsselt worden. Die Dokumente – etwa vierhundert Seiten über Knut Hamsuns innere Gedanken, Träume und Sehnsüchte – waren vergessen und verschollen geglaubt. Als die Dokumente in den 1970ern wieder auftauchten, begann die norwegische Nationalbibliothek sie zu dechiffrieren, aber die Familie Hamsun blockierte schon bald den Übersetzungsprozess. Während der folgenden rechtlichen Auseinandersetzungen waren die Familien von Hamsun und des Psychoanalytikers, sowie die Frage der Schweigepflicht und des Urheberrechts Stoff heftiger öffentlicher Debatten.
Thomas Kvam begann die Dokumente Seite für Seite in seinen Bildern zu veröffentlichen, erstmals 2016 in einer Ausstellung in der Osloer QB Gallery. Selbst mit einer Klage bedroht, stellen Kvams Bilder einen Eingriff in die Literaturgeschichte dar, einen stillen Aktivismus, bei dem der Heilige Gral der Hamsun Forschung allmählich mit einer entscheidenden Frage konfrontiert wurde. Sie bleibt eine unbeantwortete Frage – und ein Rätsel: Wie konnte Knut Hamsun, ein Nobelpreisträger, einer der größten Europäischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts und eine wegweisende Persönlichkeit des frühen Modernismus, von Thomas Mann als Genie gerühmt, anti-demokratische Gefühle hegen, kriegshetzerische Rhetorik verwenden, und schließlich den Nationalsozialismus lobpreisen? Welche Geheimnisse sind in diesen Dokumenten, und jetzt in diesen Malereien versteckt?