Vom 25. Februar bis 15. Mai 2011 zeigt das Kunsthaus Zürich die Ausstellung «FotoSkulptur». Versammelt sind über 300 Fotografien von der Frühzeit der Fotografie bis in die Gegenwart. Die Werke stammen von über 100 bedeutenden Fotografen und stilbildenden plastischen Künstlern. Sie zeigen, wie Fotografie den Skulpturbegriff beeinflusst und ihn auf kreative Weise neu definiert. Nach dem Museum of Modern Art, New York, ist das Kunsthaus Zürich die einzige weitere Station der Ausstellung.
Die Skulptur gehörte zu den ersten Sujets der Fotografie. Dank experimenteller Ausschnitte, selektiver Fokussierung, variabler Optik, extremer Nahaufnahme und einer gezielten Beleuchtung, dank der Techniken der Collage, der Montage und der Assemblage sowie mit Manipulationen in der Dunkelkammer haben Fotografen die Skulpturen, die sie festgehalten haben, nicht nur interpretiert – sie haben darüber hinaus auch verblüffende Neuschöpfungen hervorgebracht. Ein besonderes Augenmerk gilt der Frage, wie das eine Medium in die kreative Interpretation des anderen einbezogen wird und wie Fotografien unser Verständnis von Skulptur prägen und zugleich herausfordern. Die Ausstellung stellt die Frage, wie und warum die Skulptur zu einem Thema der Fotografie wurde und zeigt, wie die Fotografie den Bereich des Plastischen befruchtet und erweitert hat. Die von Roxana Marcoci, Kuratorin am Museum of Modern Art, New York, konzipierte und in Zürich von Tobia Bezzola betreute Ausstellung vertieft diese in 170 Jahren gewonnenen Erkenntnisse in zehn Kapiteln.
«Skulptur im Zeitalter der Fotografie». Dieser erste Abschnitt umfasst frühe Fotografien von Skulpturen in französischen Kathedralen von Charles Nègre und im British Museum von Roger Fenton und Stephen Thompson; ferner eine Auswahl an Fotografien von André Kertész aus den 1920er Jahren, die Kunst inmitten von Alltagsobjekten in den Ateliers befreundeter Künstler zeigen sowie Bilder von Barbara Kruger und Louise Lawler, die Fragen der Repräsentation in den Vordergrund rücken und die Bedeutung der Fotografie für die Analyse der Kunst unterstreichen.
«Eugène Atget: Das Wunderbare im Alltäglichen» präsentiert klassische Statuen, Reliefs, Brunnen und andere dekorative Fragmente in Paris, Versailles, Saint-Cloud und Sceaux; zusammen bilden sie ein visuelles Kompendium des französischen Kulturerbes.
Das Kapitel «Auguste Rodin: Der Bildhauer und das Wagnis der Fotografie» umfasst einige der bemerkenswertesten Bilder der Skulpturen Rodins von diversen Fotografen, darunter auch Edward Steichen. «Constantin Brancusi: Das Atelier als Groupe mobile» richtet das Augenmerk auf Brancusis einmalige, alles andere als traditionelle Techniken beim Fotografieren seines Ateliers, wo sich laufend hybride, flüchtige Konstellationen bildeten. In seinen sogenannten «photos radieuses» wird die skulpturale «Gestalt» durch Lichtblitze aufgebrochen.
«Marcel Duchamp: Das Readymade als Reproduktion» betrachtet Boîte-en-valise (1935–41) etwas genauer, eine Art Werkkatalog mit 69 Reproduktionen, zu dem winzige Repliken mehrerer Readymades und ein Originalwerk gehören. Duchamp fertigte «autorisierte Originalkopien» seiner Arbeiten an und verwischte damit die Grenzen zwischen Unikat, Readymade und Multiple. «Kulturelle und politische Kultfiguren» präsentiert wichtige fotografische Essays des 20. Jahrhunderts: Walker Evans’ «American Photographs» (1938), Robert Franks «The Americans» (1958), Lee Friedlanders «The American Monument» (1976) und David Goldblatts «The Structure of Things Then» (1998). Die meisten waren noch nie in einem thematischen Kontext ausgestellt.
«Das Atelier ohne Wände: Skulptur im erweiterten Feld» untersucht die radikale Veränderung des Skulpturbegriffs, die eintrat, als Künstler, die sich nicht im herkömmlichen Sinn als Fotografen definierten, begannen, anstelle eines dreidimensionalen Objekts entlegene Orte wie Skulpturen zu dokumentieren, wie beispielsweise Robert Smithson, Robert Barry und Gordon Matta-Clark. «Daguerres Suppe: Was ist eine Skulptur?» zeigt Fotos von Fundgegenständen oder Assemblagen, die von Künstlern für die Kamera arrangiert wurden. Prominente Schweizer in dieser Kategorie sind Fischli/Weiss. Vor ihren Arbeiten aus den 1980er Jahren stehen etwa Brassaïs «Sculptures involontaires» (ca. 1932), Alina Szapocznikows «Photosculptures» (1970–71) und «Daguerre’s Soup» (1974) von Marcel Broodthaers, ein Werk, das augenzwinkernd auf die verschiedenen Flüssigkeiten und chemischen Prozesse verweist, die Louis Daguerre bei seiner Erfindung der Fotografie ausprobierte und damit experimentelle Ideen im Zusammenhang mit Alltagsobjekten ins Spiel bringt.
Im Kapitel «Pygmalion-Komplex: belebte und unbelebte Figuren» werden dadaistische und surrealistische Bilder und Fotocollagen von Man Ray, Herbert Bayer, Hans Bellmer, Hannah Höch und Johannes T. Baargeld betrachtet. Kameralinsen sind auf Puppen und Automaten gerichtet, um die Spannung zwischen lebender Figur und Skulptur auszuloten. «Der Körper als skulpturales Objekt» erforscht die Rolle der Fotografie dort, wo sich Performance und Skulptur überschneiden. Bruce Nauman, Charles Ray und Dennis Oppenheim verstanden den Körper als plastisches Requisit, das sich aufheben, verbiegen oder nutzen liess wie jedes andere Material. Eleanor Antin, Valie Export und Hannah Wilke setzten sich mit der «Rhetorik der Pose» auseinander. Sie verwendeten die Kamera als Werkzeug, das allein durch seine Präsenz ein verändertes Verhalten hervorruft.
Die Ausstellung wurde organisiert vom Museum of Modern Art, New York, und steht unter der Schirmherrschaft des International Council of The Museum of Modern Art.
25. Februar - 15. Mai 2011
Kunsthaus Zürich