Die Galerie Eva Presenhuber freut sich, mit Abstracts and Pewter Abstracts (dt. Abstrakte und Abstrakte aus Zinn) die dritte Einzelausstellung des in Oslo lebenden Künstlers und Schriftstellers Matias Faldbakken zu präsentieren.
„Alle Werke dieser Ausstellung sind Zeichnungen: auf Papier, auf Leinwand oder aus Zinn. Sie sind alle abstrakt. Im Folgenden möchte ich in wenigen Sätzen mein Verständnis der Begriffe „Zeichnung“ und „abstrakt“ darlegen. Da die Definitionen dieser Begriffe jedoch komplex sind, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als sie in etwas paradoxen Begriffen darzustellen.
Die Essenz des Zeichnens ist schwer greifbar. Eine Zeichnung auf einem frischen Blatt edlen Papiers kann dessen Wert drastisch mindern. Es scheint leichter zu sein, ein mit einer miserablen Zeichnung besudeltes Papier wegzuwerfen, als das unberührte Blatt selbst. Dies wäre geradezu gewalttätig. Andererseits muss eine Zeichnung nicht fertiggestellt sein, um wirklich als fertig zu gelten. Sie ist filigran und leicht, hat also nicht die schwere, unangenehme Unendlichkeit der Malerei in sich, weil sie viel weniger weit geht. Das meiste, wenn nicht alles, was gezeichnet wird, bewegt sich in derselben Sphäre des Fragwürdigen. Die Zeichnung ist ein Bildnis des Materiellen, welches anderen Bildern gegenübergestellt werden kann. Jede Zeichnung soll eine Kritik dessen sein, was neben ihr hängt. Die Zeichnung verkörpert die Potenz bzw. die Impotenz des Bildes.
Die Ausstellung dreht sich um meine Neigung und Abneigung zum Zeichnen und zum Gezeichneten. Zeichnen ist eine empathische Verweigerung. Die Art, wie du zeichnest, ist dir peinlich und gleichzeitig gehört sie dir. Du wirst nie geradlinig zeichnen, weil deine Hand einen Dialekt hat - oder ist es eher ein Akzent? Ein Mann mittleren Alters, der zeichnet, hat etwas Prätentiöses und Fragwürdiges an sich. Ein Mann, der zeichnet, ist ein fauler Mann. Vielleicht kann die Zeichnung nicht viel über ihr eigenes Trauma, den Bildschirm, sagen, aber sie ist dennoch ein Antagonist in einer Welt des Bildschirms. Die Zeichnung ist eine Technologie, die nie aktualisiert wurde. Holzkohle auf Papier und Tinte auf Papier und Bleistift auf Papier haben immer so ausgesehen. Die radikale Kohle. Die besiegte Tinte. Die schwächelnde Bildmaschine. Die Zeichnung hat diese angestrengte, oberflächliche, träge, kratzige, blasse, warme, bleiche Präsenz, die ein Bildschirm nicht hat. Die Zeichnung kann nicht aktualisiert werden. Jeder Pixel will etwas von dir. Papier ist aber nicht elektrisch, es ist tot. Graphit ist tot. Gesso ist tot. Zeichnen ist die Befriedigung, die sich aus dem Gebrauch von Werkzeugen ergibt, die am wenigsten von anderen kontrolliert werden. Zeichnen ist der ursprüngliche künstlerische Impuls, und das Klügste und Planloseste, das man tun kann, ist, dorthin zurückzukehren. Es gibt ein altes Sprichwort unter Metalheads über Heavy Metal, das ich manchmal paraphrasiere und auf das Zeichnen anwende: Zeichnen ist lächerlich, aber das wussten wir von Anfang an.
Wenn ich nicht zeichne, schreibe ich. Solange ich schreibe, gehört das Zeichnen zum fluiden Universum des Nichtschreibens. Zeichnen: eine konstante, jahrelange Praxis von etwas, das nicht Schreiben ist. Text erlaubt es mir, den Leuten mit meinen Sorgen, eine Freude zu machen. Mit Zeichnen, hole ich mir sie zurück. Ich zeichne gegen die Lesbarkeit der Dinge.
Ich schreibe über Themen, aber ich zeichne keine Themen. Schreiben ist Politik. Zeichnen ist eher eine Form von umgekehrter Politik, eine abstraktere Haltung. Wenn ich abstrakt sage, meine ich nicht abstrakt, sondern abstrakt. Abstrakt ist nicht ein Wort mit acht Buchstaben.
Ich bin ein abstrakter Künstler, ein Abstraktionist, und abstrakt bedeutet, etwas von etwas anderem zu abstrahieren, und hier bedeutet es, von einer Geschichte zu abstrahieren. Es gibt keine Geschichte. Abstraktion bedeutet, den Monstern der Erzählung Einhalt zu gebieten.
Für mich zeigen sich Zurückhaltung und Uneinigkeit in abstrakten Formen. In was für Formen? Man kann träumen und manchmal träumt man über die Panik der Abstraktion. Die Abstraktion des Besiegten. Die Suche nach einer Abstraktion, die mehr zu tun hat mit naja, naja, ähhh, mit Skas, mit einer Nervenlandschaft, mit einer Verschuldung, mit einer dieser alptraumhaften Umkehrungen und mit Wenn-ich-mir-nicht-so-sicher-bin-wird-das-zur-form. All das ist wichtiger als augenscheinige Lösungen, relevantes malerisches Design oder strategisch angelegte Seltsamkeiten.
Die Idee der Abstraktion ist grösser als die abstrakte Sache, daher die ganze Enttäuschung. Abstraktion ist eine Form der Frustration und es gibt ein Zitat von Wilhelm Worringer aus dem Jahr 1908, das mir gefällt: „Der Drang zur Abstraktion ist das Ergebnis einer grossen inneren Unruhe, die durch die Phänomene der Aussenwelt im Menschen hervorgerufen wird.“
Zeichnen ist eine Art zu abstrahieren. Es ist auch ein Weg des Handelns. Wenn man handelt, irrt man, sagt Hegel. Es handelt sich also um einen Akt, der nicht rationalisiert werden kann, aber dennoch unternommen werden muss. Und schon abstrahierst du, eine Beerdigung nach der anderen.“