Organische Formen treffen auf strahlend leuchtende Farben und industriell gefertigte Funktionstextilien: Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) präsentiert die erste Einzelausstellung der norwegischen Textilkünstlerin Hanne Friis (* 1972) in Deutschland. Die dritte Schau in der Ausstellungsreihe Contemporary craft zeigt mit 19 skulpturalen Arbeiten einen Überblick über ihr Werk, darunter raumgreifende Objekte aus Latex, Seide, Samt, Wolle und Gore-Tex sowie neue Textilarbeiten, die eigens für die Ausstellung gefertigt wurden.

Mit ihren sogenannten Soft sculptures definiert Hanne Friis den Begriff Bildhauerei neu. Ihre Objekte scheinen wie lebendige, organische Strukturen aus Wand und Boden zu wachsen, oftmals verändern sie ihre Form im Laufe der Zeit.

Darüber hinaus sind die besondere Arbeitsmethode und die hohe handwerkliche Qualität kennzeichnend: In Handarbeit formt, faltet und verdichtet Hanne Friis die Stoffe und verarbeitet sie mit Nadel und Nylonfaden in Handstichtechnik.

Ein besonderes Augenmerk der Künstlerin liegt auf Farben und Materialien. Der handgenähte, cyanblaue Stoff der Arbeit Impulse (cyan) (2021–22) erinnert beispielsweise in seiner organisch anmutenden Form an Wasser bzw. eine Art rätselhaftes Naturphänomen. Hanne Friis wählt für diese Arbeit einen synthetischen Vinylstoff, dessen künstliche Materialität erst bei genauerer Betrachtung erkennbar ist. Der neongelbe Funktionsstoff der Arbeit The mass (yellow) (2011) hat eine Signalwirkung und weckt Assoziationen an Warnschutzkleidung. Hanne Friis spielt dabei bewusst mit der räumlichen Präsenz ihrer Objekte: „Ich wollte mit der Farbe Aufmerksamkeit erregen. Sie ist sehr hell und intensiv und gibt dir Energie“.

Die Verbundenheit zur Natur und die Auseinandersetzung mit organischen, lebendig erscheinenden Formen wird insbesondere in der Arbeit Trophy (2015–16) thematisiert, deren Wirkung sich durch das Zusammenspiel von Material und Farbe entfaltet. Der verwendete Samt besteht aus Naturseide und ist mit Flechten und Pilzen handgefärbt. Das Ergebnis sind ineinander verschmelzende Schattierungen eines hellen Brauntons.

Hanne Friis (* 1972, Oslo, Norwegen) studierte zwischen 1992 und 1996 Bildhauerei und Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Trondheim, Norwegen. Ihre Objekte sind in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten, darunter das National Museum in Oslo, das Haugar Kunstmuseum in Tønsberg, das Kunstgewerbemuseum in Trondheim, das Kode Kunstmuseum in Bergen und das norwegische Parlament in Oslo.

Hanne Friis‘ Arbeiten waren in verschiedenen Ausstellungen zu sehen, unter anderem Torrent in der Maria Wettergren Galerie, Paris, Frankreich (2023), Circulation im Vigeland Museum, Oslo, Norwegen, Nice to (finally) meet you in der Kunsthalle in Seinäjoki, Finnland (2020) und Topography in der Kunsthalle in Kristiansand, Norwegen (2019). Im Jahr 2024 zeigt das Kode Kunstmuseum, Bergen, Norwegen eine Einzelausstellung von Hanne Friis.

Die Ausstellungsreihe Contemporary craft stellt seit 2022 die Arbeit bedeutender internationaler Künstlerinnen und Kunsthandwerkerinnen vor. Ziel der Reihe ist es, den Stellenwert und die Sichtbarkeit des Kunsthandwerks im zeitgenössischen Diskurs zu erhöhen sowie die traditionellen Grenzen zwischen Kunst, Kunsthandwerk und Design zu überwinden.