Nach der Wiedereröffnung des ersten Sammlungsbereichs Ostasien mit Schwerpunkt Japan Ende 2023 folgt ab 21. Juni 2024 der abschließende zweite Teil der Neupräsentation „Inspiration China“. Über 200 Werke aus der rund 2600 chinesische Objekte umfassenden Sammlung des MK&G verdeutlichen Prinzipien und Grundlagen chinesischer Kunst wie die modulare Gestaltung und die Einheit von Schrift und Bild. Zu sehen sind unter anderem Ritualbronzen, kaiserliches Porzellan, Schnitzlacke sowie Malerei, Kalligrafie und Farbholzschnitte.
Inspiration China im 2. Obergeschoss umfasst sieben Ausstellungsmodule in vier Ausstellungsräumen. Am zentralen Eingang markiert Made in China – Porzellan das Thema Exportporzellan als eines der wichtigsten globalen Handlungsgüter der frühen Neuzeit. Am hinteren Eingang ist die Videoarbeit Rising Mist (2014) von Yang Yongliang (* 1980) der monumentalen Hängerolle Sommerberge – Weite Ferne (1722) von Huang Ding (1660–1730) gegenübergestellt. Während die Landschaft als Sinnbild für eine stabile und harmonische Regierung in der Kangxi-Ära (1662–1722) gelesen werden kann, ist der aufziehende Nebel in Yang Yongliangs Video-Collage von Shanghai eher als Smog und Indiz für Umweltverschmutzung zu verstehen.
Die Ritualbronzen der Shang-Dynastie (ca. 1600–1046 v. Chr.) und Zhou Dynastie (1046–256 v. Chr.) sind ein Paradebeispiel für modulare Gestaltung, welche nicht nur eine ausdifferenzierte Arbeitsteilung und außerordentliche Qualität, sondern auch eine besonders effiziente Produktion in der vorindustriellen Zeit ermöglichte. Die chinesische Schrift ist ein weiteres Beispiel für Modularität: Acht Grundstriche sind zu 214 Modulen organisiert, aus denen sich 50.000 Schriftzeichen zusammensetzen. Die Organisation als bedeutungsweisende Schrift ermöglicht die Kommunikation über Dialekte und Jahrtausende hinweg.
Heute erhaltene Keramiken der Tang-Dynastie (618–907) stammen in der Regel aus Gräbern und dienten der Verehrung der Ahnen. Sie sollten den Verstorbenen ein angemessenes Leben im Jenseits ermöglichen und sind Zeugen dieser Blütezeit chinesischer Kultur und ihrer transkulturellen Verflechtung mit fernen Ländern. Hofdamen lassen das Schönheitsideal vollwangiger Gesichter mit zierlichen Mündern wiederaufleben, Gefäßformen folgen persischen Vorbildern und Kamele verdeutlichen den florierenden Handel über die Seidenstraße.
Das Prinzip Monochrom entspricht dem Ideal zurückhaltender Eleganz der Literatenkultur. Das gilt sowohl für die Tuschemalerei und Kalligrafie als auch für das Kunsthandwerk. Weiße Ding-Ware und grünlich-bläuliche Seladone der Song-Dynastie (960 –1279) sowie Porzellan und Glas der Qing-Dynastie (1644–1911) in tiefgründigen Farben lassen über Jahrhunderte hinweg eine Ästhetik aufleben, die seit dem frühen 20. Jahrhundert in Europa als revolutionär modern wahrgenommen wird. Den Farben wohnt dabei eine tiefe Bedeutung inne. Nach der Fünf-Elemente Lehre (Wuxing) des Daoismus ist jedem Element jeweils eine Grundfarbe zugeordnet: Schwarz dem Wasser, Weiß dem Metall, Gelb der Erde, Rot dem Feuer und Qing (Grün-Blau, die nicht unterschieden werden) dem Holz.
Kalligrafie und Malerei gelten in China traditionell als Einheit (shu hua yi), weil sie gleichermaßen Pinsel, Tusche und Papier bzw. Seide nutzen. Auch die Handhaltung und die Einübung einzelner Pinselstriche, die Schrift und Bild entstehen lassen, gleichen sich bzw. bauen aufeinander auf. Da sich ein Pinselstrich in Tusche nicht korrigieren lässt, ist die unermüdliche Einübung einzelner Striche, Strichabfolgen und Kompositionsfragmente unabdingbar. Dies zeigt sich beispielhaft an den seit dem 16. Jahrhundert gedruckten Handbüchern für Malerei und Kalligrafie.
Der Raum Material im Fokus setzt einen Schwerpunkt auf das Kunsthandwerk der Ming-Dynastie (1368–1644), das vor allem durch die Blüte des Blauweiß-Porzellans bekannt ist. Zudem werden andere Materialien vorgestellt, die eigene Kunsthandwerksgattungen ausgegprägt haben: Jade ist gleichermaßen kostbar und schwer zu bearbeiten – das Material war von den neolithischen Kulturen bis in die Qing-Dynastie der Elite vorbehalten. Ähnlich aufwendig ist die Herstellung von Lackwaren, die in der Regel rot oder schwarz gehalten sind. Einen farbenfrohen Kontrast dazu bildet Cloisonné – darunter versteht man Emailarbeiten, bei denen Kupferstege das Ineinanderfließen der Farben verhindert.
Die besten chinesischen Kunsthandwerker * innen waren traditionell für den Kaiserhof tätig. Herausragend in der Sammlung des MK&G ist nicht nur der Porzellanbestand der Qing-Dynastie aus den kaiserlichen Werkstätten im ostchinesischen Jingdezhen, sondern auch ein Teppich für den Kaiserpalast und großformatiges Cloisonné, das unter anderem als Ritualgerät in Tempeln diente.
Mit über 14.000 Objekten gehört die Sammlung Ostasien im MK&G zu den
bedeutendsten Sammlungen ostasiatischer Kunst in Europa.
Eine Auswahl von 600 Highlight-Stücken vermittelt Besucher * innen auf
zwei Etagen Prinzipien und Grundlagen ostasiatischer Gestaltung. Die
Neuaufstellung der Sammlung orientiert sich an den Stärken der
Sammlung und vermittelt durch integrierte Werke aus anderen
Sammlungsbereichen des MK&G die transkulturelle Verflechtung
ostasiatischer und europäischer Gestaltung. Die Präsentation ist modular,
dynamisch und nachhaltig konzipiert. So lassen sich konservatorisch
sensible Objekte regelmäßig ressourcenschonend wechseln, um
Besucher * innen immer wieder neue Einblicke in die Sammlung zu
ermöglichen. Darüber hinaus werden Provenienzen einzelner Objekte
gekennzeichnet und im Kontext der NS- und Kolonialgeschichte erklärt.
Interaktive Stationen – wie zum Beispiel das Schreiben chinesischer
Schriftzeichen und das Gestalten von Postkarten mit Stempeln – laden
zum Mitmachen ein.
Die Neukonzeption der Sammlung Ostasien wird unterstützt von der Justus Brinckmann Gesellschaft und der Hans Brökel Stiftung für Wissenschaft und Kultur.