Die Ausstellung Perceptions in der Fabian & Claude Walter Galerie zeigt Arbeiten amerikanischer Fotografen, die sich mit Fragen von menschlicher Nähe, Körperlichkeit, Intimität und Fragilität beschäftigen. Die Fotografien thematisieren alltägliche Themen und Situationen, deren Notwendigkeit uns erst in einer Zeit, die von Einschränkungen, Distanzierung und Isolation geprägt ist, deutlich vor Augen geführt werden. Perceptions soll auf die Wichtigkeit der Beziehung der Menschen untereinander - unabhängig von Herkunft und Hautfarbe - aufmerksam machen und skizziert mit einer Auswahl an hochwertigen Vintage Fotografien aus Privatsammlungen eine Zeitreise durch die Fotografiegeschichte des 20. Jahrhunderts.
Eine der Fotografierenden, welche in der frühen amerikanischen Fotografie eine wichtige Position einnimmt, ist Imogen Cunningham (1883-1976), die als Mitglied der modernistischen f/64-Gruppe die Entwicklung der Fotografiegeschichte prägte. Cunningham ist am Mensch selbst und dessen Umgebung interessiert. Ihre Arbeiten zeichnen sich zum einen durch einen starken Formalismus mit einem Interesse an Struktur und Details und zum anderen durch ihre Feinsinnigkeit aus. Der Mensch selbst rückt auch bei den dokumentarischen Fotografien der 1950er bis in die 1970er Jahre in den Mittelpunkt, in denen das alltägliche Leben auf den Strassen amerikanischer Städte porträtiert wird. Drei wichtige Vertreter dieser Street Photography sind mit Saul Leiter (1923-2013), Vivian Maier (1926-2009) und Jill Freedman (1939-2019) in der Ausstellung präsent. Die subtile Beobachtung von zufälligen Begebenheiten, flüchtigen Aufeinandertreffen und unaufgeregten Momenten des Beisammenseins sind zentrale Themen dieser sozialen Fotografien, die sich stets um das Sujet Mensch drehen.
Duane Michals (1932) und Jerry Uelsmann (1934) präsentieren in den hier ausgestellten sequenzhaften Fotografien eine Überlagerung von mehreren, einzelnen Aufnahmen, in deren Zentrum der Mensch und das Narrativ steht. In ihren Fotografien erzählen Michals und Uelsmann fragmentarische Geschichten. Die Betrachtenden müssen nicht sichtbare Zwischenstationen selbstständig mitdenken, wodurch das individuelle Wahrnehmungsfeld erweitert wird. Michals erreicht dies durch die Mehrfachbelichtung des Fotofilms, während Uelsmann in der Dunkelkammer mehrere Negative zu einem Bild zusammenfügt.
Die Fotografien von Nan Goldin (1953), Sally Mann (1951) und Jock Sturges (1947) konfrontieren uns mit ungewohnter Intimität. Wir sind unmittelbar bei den Geschehnissen dabei und werden beim Betrachten der Aufnahmen das Gefühl nicht los, die vertraulichen Momente mit unserer Anwesenheit zu stören. Goldin erzielt dies mit fotografischen Eindrücken einer Art Parallelwelt am Rand der Gesellschaft zwischen Identitätssuche und Rausch, Lust und Verlust, Liebe und Schmerz, während Mann und Sturges mit ihren Fotografien einen privaten Einblick in das Familienleben gewähren. Herb Ritts (1952-2002) und Jack Pierson (1960) hingegen gehen mit den in der Ausstellung gezeigten Fotografien einen Schritt zurück und untersuchen den menschlichen – insbesondere den männlichen – Körper auf skulpturale und doch natürliche Weise.
Perceptions vereint eine facettenreiche Auswahl wichtiger Positionen der amerikanischen Fotografiegeschichte und untersucht die Beziehungen zwischen Fotograf, Porträtierten und Betrachtenden.