Am 8. März 2020 feiert der international bekannte Schweizer Künstler Franz Gertsch seinen 90. Geburtstag. Das Museum Franz Gertsch nimmt dieses Ereignis zum Anlass für eine gross angelegte Ausstellung mit zahlreichen Leihgaben aus dem In- und Ausland. Die Auswahl der zentralen Gemälde von Franz Gertsch aus den 1970er Jahren erlaubt einen Rückblick auf die Zeit, in der der Künstler seinen Durchbruch erlebte.
Das Museum Franz Gertsch konzentriert sich mit der Geburtstagsausstellung auf die monumentalen Bilder der 1970er Jahre. Die aus verschiedenen renommierten Museen und Sammlungen stammenden Leihgaben dokumentieren den Ausgangspunkt für das folgende reiche Oeuvre in Malerei und Grafik von Franz Gertsch. Nicht sein Alter wird mit der Geburtstagsschau reflektiert, keine abschliessende Retrospektive ist angedacht; vielmehr feiert sie mit Gertschs Arbeiten aus den 1970er Jahren eine Zeit des jugendlichen Aufbruchs. Sie versammelt Höhepunkte aus dieser Schaffensphase, mit denen Franz Gertsch internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung erlangte. Damals wurde er von namhaften Kuratoren und Ausstellungsmachern wie Jean-Christophe Ammann und Harald Szeemann entdeckt. Die Ausstellung im Museum Franz Gertsch wird belegen, dass die Bilder seit damals nichts von ihrem Aufbruchsgeist und ihrer sogartigen Wirkung eingebüsst haben.
Franz Gertschs Bekenntnis zum (Foto-)Realismus lässt sich auf das Jahr 1969 datieren. Damals entdeckte er das Medium der Fotografie als Basis für seine Arbeiten. Er malte das Bild «Huaa...!» – einen Reiter im wilden Galopp – nach einem Still aus dem Film «The Charge of the Light Brigade», das er in der Zeitschrift Salut les Copains reproduziert fand. Seitdem bildet die Fotografie – fast immer eine selbst gefertigte – als eine Art Skizze oder «Partitur» den Ausgangspunkt für sein Wirken.
Gleichsam durch seine Kamera sehend, nimmt Gertsch von nun an seine Umwelt wahr. Es entstehen Schnappschüsse der jungen Familie, etwa der Kinder Silvia, Hanne-Lore und Brecht in der Badewanne, oder der Ehefrau Maria mit dem Sohn Benz beim Picknick. Aus den Vorgaben mit alltäglichen Szenen entstehen, ins Grossformat des Bildes übersetzt, atmosphärisch eindringliche Familiengemälde. Auf einer Reise nach Südfrankreich liefen ihm am Meer spielende Sinti und Roma-Mädchen gleichsam vor die Kamera. Im Zyklus «Saintes Maries de la Mer» sind die Aufnahmen von ihnen wiederum in monumentale, stimmungsvolle Bilder übersetzt. In den frühen 1970er Jahren begann Franz Gertsch den jungen Luzerner Künstlerkollegen Luciano Castelli (*1951) zu begleiten. In ihm, der sich vor der Kamera chamäleonartig wandelt und verschiedene Gesichter anzunehmen scheint, konzentriert sich das Zeitgefühl einer ganzen Generation. In dichten Einzelbildern und Mehrfigurenkonstellationen, die Luciano mit seinen Freundinnen und Freunden (Marina, Barbara, Gaby, Irene, Franz) zeigen, erschafft Gertsch einen Kosmos, der aus der Spannung von vibrierender Realität und poetisch fantasievoller Interpretation lebt.
Kommen die Darstellungen der Familie und die Bilder von Luciano Castelli leuchtend farbig und extravertiert daher, wirken die der Rockpoetin Patti Smith (*1946) gewidmeten Grossformate zurückhaltender im Kolorit und introvertierter in der Haltung. Auch im «Selbstporträt» von 1980 gibt sich der nunmehr fünfzigjährige Künstler bar jeder Selbstinszenierung. Sein schweifender Blick scheint sich vom äusseren Zeitgeschehen ab- und einer inneren Wirklichkeit zuzuwenden.