A Walking Shadow bringt fünf Künstler zusammen, die sich auf unterschiedliche Art mit dem bewegten Bild auseinandersetzen, die jedoch geeint sind durch ihr gemeinsames Interesse daran, wie Technologie und Umgebung unsere Wahrnehmung einzelner Figuren verändern.
Wim Wenders, der sowohl als einflussreicher Filmemacher als auch für seine Fotografien bekannt ist, zeigt hier zum ersten Mal Videoinstallationen. Same Player Shoots Again (2019) basiert auf einem seiner ersten 16 mm Kurzfilme, den er 1967 in München drehte. Ein Soldat, gespielt von seinem Freund, dem jungen Schauspieler Hanns Zischler, schleppt sich über das Straßenpflaster, anscheinend erschöpft oder sogar verletzt, sein Gewehr baumelt unterhalb der Hüfte. Die Figur ist für den Betrachter nicht zu identifizieren, da die Kamera das Gesicht nicht zeigt. In Schwarz-Weiß aufgenommen, wird der Film fünf Mal - immer in wechselnden Farben getönt - wiederholt, was zusammen mit dem Titel eine Referenz an die fünf-Ball Struktur des Pinball-Spiels ist: ‚Es ist kein wirklicher Farbfilm geworden‘ schreibt Wenders. ‚Lediglich etwas Blau, Rot, Gelb und Grün entlang der Straße‘. Silver City Revisited (2019) ist eine Doppelprojektion, die ebenfalls auf Filmmaterial von 1968 basiert, welches der Künstler während seiner Studentenzeit in München gedreht hat. Ein Bahnhof flimmert in dämmrigem Licht, während sich daneben eine alltägliche Straßenszene abspielt. In der Kombination liegt eine Atmosphäre von Vorahnungen und Möglichkeiten. Leader (flower seller) (2016), von Owen Kydd erscheint ähnlich ins Leben zu flimmern, jedoch bleibt die Figur bewegungslos, während lediglich ihr Körper und die Blumen in verschiedenen Texturen und Intensitäten aufleuchten. Kydd kombiniert eine Straßenfotografie mit den Resten eines 8 mm Films (Material, welches der Künstler James Welling von seinem Onkel gefilmt hat) um daraus eine Mischung aus Dokumentation, Fiktion und Fantasie zu erzeugen, die aus unterschiedlichen Techniken ein bewegendes Bild einer anonymen Figur erschafft. Destiny and Gabriel (2016) heißen die beiden Personen, die Kydd für die gleichnamige Installation fotografierte. Gabriel sitzt gedankenverloren auf einer Decke, während der Videomonitor neben ihm dynamische Muster in Blau, Rot, Gelb und Grün zeigt. Hierfür filmte Kydd die Tänzerin Destiny, die auf dem Hügel läuft, um ihre Bewegungen mithilfe einer Software in abstrahierte farbige Formen zu transformieren.
Amie Siegel nutzt für ihre Installation The Modernists (2010) gefundene Bild- und Filmaufnahmen. Es handelt sich hierbei um das Material eines Hobbyfotografen, der über mehrere Jahrzehnte hinweg seine Frau vor dutzenden von Monumenten und Museen fotografiert hat. Der Betrachter kommt kaum umhin, Verbindungen zwischen der Frau und der Kunst, die sie betrachtet, herzustellen. Während er damit beschäftigt ist, die berühmten Orte zu identifizieren, nimmt die Frau selbst die Aura eines Kunstwerkes an, welches sich über die Zeit hinweg subtil verändert. Siegel kombiniert das Filmmaterial mit Fotografien, und wirft so eine Reihe von Fragen zu Gender, Permanenz und Vergänglichkeit, sowie zu unserer Wahrnehmung von Kulturgütern im Lichte sich wandelnder Mode und Technik auf.
In Mark Lewis’ Things Seen (2017) steigt eine Frau aus dem Meer, von einer Kamera beobachtet deren Ausrichtung sich an ihre Bewegungen heftet. Die Kamera wird zu einer fast bedrohlichen Präsenz, die über den Strand streift um ihr Subjekt zu verführen. Der Film bezieht sich auf die Wahrnehmung, die der weibliche Körper in der Geschichte der Kunst und des Films erfahren hat, jedoch sind hier die Machtverhältnisse durch den eindringlichen Blick der Dargestellten umgekehrt.
Als führender Wegbereiter der Kunst des bewegten Bildes, erschuf Bill Viola 1976 Four Songs in der Anfangszeit der Videotechnik. Der Künstler nennt die Arbeit ‚eine Sammlung vier musikalischer Geschichten in allegorischer Form‘. In jedem der Four Songs (Junkyard Levitation, Songs of Innocence, The Space Between the Teeth und Truth Through Mass Individuation) sieht der Betrachter einer Figur, oder Figuren, dabei zu wie sie mit ihrer Umwelt interagieren und damit eine Reihe psychologischer Effekte erzielen. ‚Die dargestellten ästhetischen Ideen sind mit den besonderen Charakteristika der modernsten Nachbearbeitung von Video, die es 1976 gab, eng verbunden‘ schreibt Viola. Der Betrachter ist hier mit scheinbar unveränderlichen Ideen zur menschlichen Psychologie beschäftigt, die jedoch durch die veraltete Technik, durch die sie erlebt wird, eine merkwürdige Kraft erfahren.
Shakespeares Macbeth beschrieb das Leben als ‚ein wandelnd Schattenbild / Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht / Sein Stündchen auf der Bühn…‘ In allen Arbeiten in A Walking Shadow bekommen wir ein Gefühl der Zerbrechlichkeit und Verletzlichkeit des Lebens, dass durch die Macht der Technik, die sterblichen Personen in einer permanenten Schlaufe ‚auf der Bühne‘ zu bewahren, lediglich ein wenig ausgeglichen wird.