Die Galerie Thaddaeus Ropac freut sich, eine umfangreiche Ausstellung exemplarischer Werke von Valie Export mit dem Titel Body Politics in Salzburg anzukündigen, die ihre Fotografien, Fotocollagen und Filme aus den Jahren 1968 bis 1983 präsentieren wird.
Nachdem die Galerie im Oktober letzten Jahres die Repräsentanz von Valie Export annoncierte, fand als Auftakt der Kollaboration mit der Künstlerin eine von Caroline Bourgeois kuratierte Ausstellung in Paris statt. Die kommende Ausstellung wird Fotografien aus dem Werkblock der Körperkonfigurationen (1972-82), die dreiteilige fotografische Arbeit Identitätstransfer 1-3 (1968), Dokumentationen der Performances HOMOMETER (1973) und HOMO METER II (1976), zwei Vitrinen zum Thema Handfigurationen und Körperkonfigurationen (1972-82), die Fotocollage EXTREM / ITÄTEN DES VERHALTENS (1972), die Videoinstallation Body Tape (1970), sowie die Videos/Filme Body Politics (1974), Syntagma (1983) und Bewegte Bilder über sich bewegende Personen (1973) vereinen.
»Die filmischen, aktionistischen, fotografischen Darstellungen der 1960er und 70er Jahre heben im Besonderen hervor, dass ein Körper unterschiedlichen Repräsentationssystemen angehören kann«, erwähnte Valie Export in einem kürzlich geführten Interview und fasst damit ein grundsätzliches Charakteristikum der in Salzburg gezeigten Werke zusammen.
In der fotografischen Serie Körperkonfigurationen setzt EXPORT sich mit dem Verhältnis von konstruierter Körpersprache zur Umgebung auseinander. Es geht um die sichtbare Externalisierung innerer Zustände.
»Die Parallele von Landschaft und Geist, Architektur und Geist wird durch den Körper mediatisiert, einerseits deshalb, weil die Parallele ja ihren Ursprung in jener äußersten Gegenüberstellung von Körper und Geist hat, und auch deshalb, weil der Körper eine Ausprägung ist wie die Landschaft. Die Landschaft ist eine Ausprägung von Raum und Zeit, d.h. genau besehen, das Arrangement ihrer Teile, als da sind Bäume, Steine, Hügel etc. sind eine solche. Das Arrangement der Körperteile sind die Körperhaltungen, sie sind Ausprägungen, bzw. Ausdruck von inneren Zuständen; diese Analogie von landschaftlichen und körperlichen Anordnungen, diese gemeinsamen Formen von Ausprägungen, dienen seit Beginn der Bildnerei als Projektionsfläche für den Ausdruck: externale Konfigurationen, sei es in der Landschaft, sei es im Bild (das so zur Landschaft wird), als Ausdruck internaler Zustände. […] In den Gemälden der Vergangenheit hat sich unbemerkt ein Archiv der Körperhaltungen niedergeschlagen, die für die Untersuchung der Gefühlszustände und -mythologien ihrer Zeit von großem Ausdrucks- und Informationswert sind. Es stellt sich heraus, dass diese eingefrorenen Körperbewegungen einen Kanon, eine Doktrin darstellen. Indem ich diese alten Körperhaltungen nachstelle, versuche ich den Ausdruck quasi herauszuoperieren, zu verselbständigen, indem ich die Körperhaltungen mit zeitgemäßen Materialien montiere, versuche ich diesen Ausdruck bloßzustellen« (EXPORT, 1976).
In der dreiteiligen Arbeit Identitätstransfer 1-3 beschäftigt sich EXPORT in Form von Selbstportraits und Selbstinszenierungen mit den gesellschaftlichen Stereotypen von Weiblichkeit und Männlichkeit – ein Jahrzehnt bevor diese Ästhetik Einzug in das Werk einiger (amerikanischer) Künstlerinnen gefunden hat.
Die Aktion HOMOMETER wurde 1973 erstmals durchgeführt. Im Zuge dieser Performance bindet die Künstlerin zwei große Brotlaibe um ihre Beine, um sich bewusst das Vorankommen zu erschweren. Brot, als uraltes Produkt, das symbolisch für Erde, Ernährung, aber auch für den menschlichen Leib und Mutterschaft steht, wird hier zur Last. EXPORT verdeutlicht, dass Symbole auf unterschiedliche Art und Weise gelesen werden können. Sie geht davon aus, dass die Sprache der Bilder eine andere ist als die Sprache der Wörter: Was die Fotos ausdrücken, widerspricht dem Stellenwert, den Brot in unserer Sprache hat. In der Salzburger Schau werden fotografische Dokumentationen dieser Performance zu sehen sein. »Das Brot ist, als Nahrungsmittel betrachtet, eine gefährliche und äußerst schädliche Erfindung. Wir leben von diesem Arzneimittel (drogue), dessen erste Grundlage die Fäulnis (corruption) ist, und das wir durch ein Gift schwächen müssen, um es weniger gesundheitsgefährlich zu machen. Infolge der Monopole und der Mißbräuche, die es notwendig macht, ist das Brot hundert Mal mörderischer, als es durch seine Eigenschaft als Nahrungsmittel ersprießlich ist (…) weil kein anderes Nahrungsmittel den Menschen in größerer Abhängigkeit erhält. Sklaventum, geistige Schlaffheit, Kriecherei und Gemeinheit bei den Kleinen, Despotismus und zügelloser Hang zu verderblichen Genüssen bei den Großen bilden die unzertrennliche Begleitung der Gewohnheit des Brotessens und keimen aus derselben Furche empor, in der das Getreide wächst.« (Simon N.H. Linguet, 1774)
Den Fotozyklus EXTREM / ITÄTEN DES VERHALTENS entwickelt Valie Export parallel zur Serie der Zwangsvorstellungen. Der Fokus liegt auf den abgekauten Fingernägeln der Künstlerin. Es sind die Hände als häufig wiederkehrendes Motiv, deren sich EXPORT als Ausdrucksmittel bedient. Denn schließlich können Hände und ihr Zustand viel über eine Person verraten. Bei diesem Fotozyklus geht es EXPORT um das Sichtbarmachen von psychischen Zuständen. Seelischer Schmerz wird nach außen getragen und am Körper offensichtlich.
Im 20-minütigen Kurzfilm Syntagma verknüpft EXPORT die Ergebnisse ihrer jahrzehntelangen Forschung im Bereich des Expanded Cinema. Ihre Auseinandersetzung mit fortschrittlichen Filmtechniken findet sich ebenso in dem multimedialen Film wie ihre Untersuchungen den weiblichen Körper betreffend. Eine Frau und ihr Körper stehen auch im Mittelpunkt von Syntagma. Mithilfe von Split-Screen-Einstellungen werden die Motive zweigeteilt. Die doppelten Ansichten drücken sowohl Einheit als auch Differenz aus: EXPORTs Mehr-Körper-Theorie, die besagt, dass ein Körper unterschiedlichen Repräsentationssystemen angehören kann, wird dadurch visuell untermauert.
Füße und Hände tasten eine Scheibe ab, eine Zunge wird gegen diese durchsichtige Wand gepresst, ein Ohr lauscht an der kalten Oberfläche. Mit diesen Einstellungen untersucht Valie Export in ihrer vierminütigen Videoinstallation Body Tape die Monitorleinwand und die Wörter touching (berühren), boxing (boxen), feeling (fühlen), hearing (hören), tasting(schmecken), pushing (drücken) und walking (gehen). Mithilfe ihres Körpers und einer Glasplatte, einer durchsichtigen Leinwand die zur Monitorleinwand transferiert wird, stellt Valie Export diese Begriffe bildlich dar. Sie macht Wörter sichtbar und untersucht deren Beziehung zur tatsächlichen Handlung. BetrachterInnen können mit der Monitorleinwand interagieren, indem sie ebenfalls ihr Ohr auflegen oder mit ihrer Zunge den Monitor berühren.
Die Wege der zwischengeschlechtlichen Kommunikation, so EXPORT, sind in unserer Gesellschaft vorgezeichnet. Die Politik des Verhaltens, wie sie unsere Gesellschaft Mann und Frau auferlegt, könne körperlich demonstriert werden. Die zweibahnige Rolltreppe, die im Video Body Politics im Zentrum steht, wird in fünf Sequenzen zur Bühne eines aus fünf Phasen bestehenden Kommunikationssystems. Mann und Frau sind hierbei durch ein Seil miteinander verbunden.
Der 16-mm-Film Bewegte Bilder über sich bewegende Personen reflektiert EXPORTs Dialog mit dem Medium Film. »Damals beschäftigte ich mich intensiv mit der Frage, wie man dieses kleine Gerät dazu verwenden kann Dinge mit unterschiedlichem formalen, künstlerischen und performativ-sequentiellen Charakter auf Celluloid zu bannen: Überblendung, Zurückspulen, immer wieder von vorne beginnen, ohne ein klares Bild zu haben. In diesem Projekt war ich daran interessiert mich auf die Kamera zuzubewegen und mich immer wieder von ihr zu entfernen«, so EXPORT.
Valie Export wurde 1940 in Linz geboren und lebt in Wien. Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule in Linz (1956-59) schrieb sie sich an der Höheren Bundeslehr- und Versuchsanstalt für Textilindustrie in Wien ein, wo sie bis 1964 studierte. Nach ihrem Diplom im Bereich Design, hat Valie Export begonnen in der Filmbranche zu arbeiten und war später Mitbegründerin der Austria Filmmakers Cooperative.
Im Jahr 1967 entschied sie sich den Künstlernamen Valie Export als künstlerisches Konzept und Logo anzunehmen, mit der Vorgabe ihn nur in Versalien zu schreiben. Seit 1968 präsentiert Valie Export ihre Arbeiten international bei Einzelausstellungen und Gruppenpräsentationen und nahm an zahlreichen wichtigen internationalen Kunstausstellungen, darunter die documenta 6 und 12 (1977 und 2007), sowie die Biennale in Venedig 1980 (in diesem Jahr vertrat EXPORT die Republik Österreich), 2007 und 2011 teil. Valie Export lehrte an zahlreichen internationalen Institutionen, einschließlich der University of Wisconsin, Milwaukee, USA, dem San Francisco Art Institute und der Hochschule der Künste Berlin (UdK) und hatte bis 2005 eine Professur für Multimedia und Performance an der Kunsthochschule für Medien in Köln.
Valie Export gilt als eine der wichtigsten internationalen Pionierinnen konzeptueller Medien-, Performance- und Filmkunst. Die künstlerische Arbeit von Valie Export umfasst ein breites Spektrum, welches unter anderem Video Environments, digitale Fotografie, Installationen, Body Performances, Spielfilme, Experimentalfilme, Dokumentarfilme, Expanded Cinema, konzeptuelle Fotografie, Körper-Material-Interaktionen, Objekte, Skulpturen, Texte zur zeitgenössischen Kunstgeschichte und Feminismus beinhaltet.
Zuletzt widmeten der Neue Berliner Kunstverein (2018), das Lentos Kunstmuseum Linz (2017), das Kunsthaus Bregenz (2011), die Österreichische Galerie Belvedere, Wien (2009), das Israel Museum Jerusalem (2009) und das Centre George Pompidou, Paris (2007), Valie Export umfangreiche Einzelausstellungen.
Mit dem Ankauf des Vorlasses von Valie Export wurde 2015 das Valie Export Archiv in Linz gegründet. Damit legte die Stadt Linz den Grundstein für den Betrieb eines Valie Export Centers, einer internationalen Forschungsstätte für Medien- und Performancekunst.