Mika Rottenberg ist bekannt für ihre ortsspezifischen Videoräume, welche die filmischen Arbeiten zu skulpturalen Assemblagen umfunktionieren und als Rahmen und Erweiterung ihrer Videos dienen. Oft verweisen diese Objekte auf Gender oder soziale Klassenzugehörigkeit; im Gleichklang mit dem in Rottenbergs Videos vorherrschenden Themenkreis rund um genderspezifische Arbeit, kommodifizierte Körper sowie die globale Feminisierung der Arbeit. Geschickt manipulieren Rottenbergs Videoinstallationen dieses Medium, indem sie es den den Zuschauer_innen und den gefilmten Körpern ermöglichen, buchstäblich »denselben Raum« zu bevölkern. In ihrer Ausstellung bei Sprüth Magers präsentiert Rottenberg die Videoinstallation Bowls Balls Souls Holes (AC & Plant variant) (2014/2018).
In einem kleinen, engen Raum im Eingangsbereich der Ausstellung, tritt ein pinkfarbenes, fleischiges Lippenpaar aus einer Öffnung in der Wand hervor. Die Mixed-Media-Skulptur Lips (Study #3) (2016) besteht aus in Silikon gegossenen Lippen, die ein Guckloch formen. Durch dieses blicken die Betrachter_innen in einen kleinen Spiegelkasten. In diesem spielt ein Video in einer kaleidoskopischen Endlosschleife aus pulsierenden, nassen Zungen, sich zusammenziehenden Lippen, Haarzöpfen und glänzenden Gesäßbacken, die in eine grelle, dreidimensionale Oberfläche eingebettet sind.
Im nächsten Ausstellungsraum befindet sich eine an die Wand angebrachte, summende Klimaanlage, von welcher Wasser auf die darunter stehende Zimmerpflanze tropft. AC and Plant Sculpture(2018) schafft ein sinnliches Environment, das einen banalen Moment aus dem Alltag herauslöst und zu einem eigenständigen, unerwarteten, poetisch und visuell ansprechenden Gegenstand macht. Auf der gegenüberliegenden Raumseite führt eine mit Silberfolie und Kaugummi übersäte blaue Drehtür in einen Raum, wo Rottenbergs achtundzwanzigminütiges Video Bowls Balls Souls Holes (2014) abgespielt wird. Zu sehen ist ein Hotelzimmer, in dem eine Frau auf einer unter einem Loch in der Zimmerdecke positionierten Matratze liegt; die Frau scheint vom Mond ausgehende Energie durch ihre Zehen an die sie umgebenden Gegenstände und Apparaturen abzuleiten. Die darauffolgenden Aktivitäten laufen in einem Bingosaal in Harlem zusammen, wo die Frau, in einem Raum voller Glücksspielerinnen, ein Spiel einläutet. Das Video scheint zwischen Dokumentation und Fiktion zu schwanken, und verfolgt dabei eine dem Prinzip der Rube-Goldberg-Maschine vergleichbare Montagelinie, die sich auf Ursache und Wirkung als elementarem Modus des Fortschreitens stützt. Das zyklische Narrativ des Videos zeigt kollektive Arbeit, Zahlencodes, Magnetfelder, Parapsychologie und Erderwärmung als Faktoren, die in ein dialektisches System der Erzeugung des Phänomens einfließen, das wir Glück nennen.
Mittels dieser Rhetorik ergründet Rottenberg das verblüffende, magische Potenzial einer hyperkapitalistischen, global vernetzten Wirklichkeit. Körper, sozialer Stand, Gender und Arbeit werden von einer Industrie ausgebeutet, die sogar unsichtbare und abstrakte Kräfte wie Glück in eine Ökonomie aus Gegenständen, Maßeinheiten und Wertigkeiten umzuwandeln vermag.
Mika Rottenberg (*1976 in Buenos Aires) lebt und arbeitet in New York. Sie studierte Kunst in Israel und New York und erwarb im Jahr 2004 an der Columbia University ihren Abschluss. Im Zeitraum von September bis November 2018 präsentiert die Goldsmith CCA in London eine Einzelausstellung der Künstlerin. In den letzten Jahren widmeten diverse Institutionen ihrer Arbeit Einzelausstellungen, darunter das Kunsthaus Bregenz (2018); Bass Museum of Art, Miami, Florida (2017); Palais de Tokyo, Paris (2016); Shishang Art Museum, Beijing (2015); The Rose Art Museum, Brandeis University, Waltham, MA (2014); The Israel Museum, Jerusalem (2013) und Nottingham Contemporary, Nottingham (2012). Ausgewählte Gruppenausstellungen sind The Monash University Museum of Art (MUMA); Skulptur Projekte, Münster; ICA Boston, MA (alle 2017); Kunsthal Aarhus, Aarhus; Glasgow International; Tramway und Museum of Art, Yokohama (alle 2016); Aspen Art Museum, Aspen, Colorado; Biennale von Venedig, Venedig; Albright Knox, Buffalo, New York (alle 2015).