Die aktuelle Ausstellung von Gary Hume zeigt eine Auswahl von Skulpturen und Werken auf Papier und Leinwand.
Ein Arrangement von elf Skulpturen und vier großformatigen Arbeiten auf Papier zeigen sich den Betrachter_innen in einem Spiel von Farben und Formen. Die Skulpturen sind Teil der Wonky Wheels Serie, eine Werkreihe unregelmäßiger runder Objekte aus Stahl und farbigem Emaille mit einem Durchmesser bis zu drei Metern. Die reduzierten Linien und fragilen Formen erwecken den Eindruck eines schlingernden Rads, das durch die leiseste Berührung aus der Balance und somit zu Fall gebracht werden könnte. Im Garten der Galerie ist eine weitere Skulptur im Boden eingelassen und somit in Stillstand versetzt. Einzeln betrachtet verweist jede der Skulpturen auf einen individuellen Kreislauf des Leben; zusammengenommen auf die Unbeständigkeit der Zeit sowie persönlicher und historischer Erfahrungen, deren Verlauf unaufhaltsam aber niemals stetig ist.
In einem weiteren Raum findet sich ein einzelnes Wonky Wheel, Small Hitch (2018), dessen unterer Quadrant in einem Betonkubus eingeschlossen ist. Dieses Rad ist vollständig zum Stillstand gebracht oder aber bereit zum Start – es ist ein Anfang und ein Ende. Im gleichen Raum werden in Messing gerahmte Malereien auf Leinwand gezeigt, die Teil der Serie Modernist Paintings sind. In diesen Arbeiten steht die formale Erscheinung im starken Kontrast zur inhaltlichen Konzeption. So beruht die Arbeit Carapace (2015) auf der Fotografie einer völlig eingestaubten Feuerwehrjacke und -helm, die nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York an einem Hydranten hingen.
Neben den Wonky Wheels werden vier großformatige Malereien gezeigt, unter anderem zwei monochrome, in aquatischen Farbtönen gehaltene Arbeiten auf Papier (je 120 x 361 cm). Die Oberfläche der Arbeit Water (2018), die der gleichnamigen Serie angehört, imitiert den Reiz von Wasser als Quelle von Introspektion und Träumerei. Das Pendant dazu, Flotsam (2018), aus der Serie Life Jackets wendet sich indessen einem öffentlichen und zutiefst tragischen Thema zu. Die dunkle Oberfläche der Malerei wurde mit Sandpapier partiell abgeschliffen, sodass schemenhaft die Formen von Rettungswesten erkennbar sind. Hume beschäftigt sich mit der organischen Erscheinung dieser Formen, gleichzeitig ist es seine persönliche Reaktion auf die Berichterstattung über die tausenden Geflüchteten, die bei dem Versuch ertranken, das Mittelmeer zu überqueren. In der Arbeit 361cm (2018) wurde dasselbe Motiv in ein Muster übertragen, das einem westafrikanischen Textildruck oder möglicherweise einem Leichentuch ähnelt.
Die Ausstellung ist eine Weiterführung der langjährigen Auseinandersetzung Humes mit den Thematiken Trauma und Leid. So fand in seiner Door Serie, die Anfang der Neunzigerjahre entstand, durch die Symbolik der Krankenhaustür eine formalistische Auseinandersetzung mit Heilung und Tod statt. Das Rad, das ein wiederkehrendes Motiv in Humes Werk ist, hat seinen Ursprung in einer Serie von Skulpturen und Malereien, die bereits 2013 in New York ausgestellt wurde. In diesen Werken nimmt der Künstler Bezug auf die Exekution Osama Bin Ladens und auf den andauernden Konflikt im Mittleren Osten. Solche Interpretationen geopolitischer Konflikte und militärischer Kontexte sind Humes hochgradig persönliche Annäherungen, bei denen es mehr um das Beobachten, Schaffen und Kommentieren geht, als um eine Auflösung. Vor diesem Hintergrund erweist sich die aktuelle Ausstellung als eine gewandte, poetische Etüde im Umgang mit Ambiguität. Die scheinbar heiteren Räder und farbenfrohen Wasserbilder täuschen über ihre Inspirationsquellen sowie den Schrecken und den Schmerz, die unmittelbar unter der Oberfläche verborgen liegen, zunächst hinweg.
Gary Hume (*1962 in Tenterden, UK) lebt und arbeitet in London und New York. Er vertrat England bei der Venedig Biennale (1999) und auf der São Paulo Bienniale (1996). Im Jahr 1996 wurde er für den Turner Price nominiert und 2001 in die Royal Academy of Arts, London gewählt. Einzelausstellungen umfassen Aspen Art Museum (2016), Tate Britain, London (2013), Modern Art Oxford (2008), Kestnergesellschaft, Hannover (2004), Kunsthaus Bregenz (2004), Irish Museum of Modern Art, Dublin (2003), ICA, London (1999), Fundação La Caixa, Barcelona (2000) und The National Galleries of Scotland, Edinburgh (1999). Gruppenaustellungen umfassen National Portrait Gallery, London (2018), Birmingham Museum and Art Gallery (2017), Astrup Fearnley Museet, Oslo (2016), Kunstmuseum Wolfsburg (2014), Pinchuk Art Centre, Kiev (2011), Museum of Modern Art, New York (2006), Tate Britain, London (2004), Louisiana Museum, Denmark (2004), Kunsthalle Basel (2002) und Museum of Contemporary Art, Los Angeles (2001).