Fenster. [Was] mich schon immer sehr interessiert hat, ist das Konzept des Fensters. Fenster haben etwas sehr Ergreifendes. (…) Ein Fenster ist ein Versprechen, wie eine Türöffnung. Eine Fassade ist niemals völlig ohne Erbarmen, wegen des Fensters und der Tür. Das gibt der Mauer etwas Menschliches.
KEWENIG freut sich besonders, am 7. September eine Ausstellung mit Werken von Sean Scully (geb. 1945 in Dublin) und einem Gemälde von Henri Matisse (1869-1954) zu eröffnen. Scully ist weltweit als einer der bedeutendsten abstrakten Maler der Gegenwart anerkannt und hat den Großteil seines Werkes dem Motiv der horizontalen und vertikalen Farbblöcke und Streifen gewidmet. Dieses Motiv setzt er räumlich auch in seinen monumentalen Skulpturen fort, welche nahezu zeitgleich (29.09.2018 - 06.01.2019) im Yorkshire Sculpture Park, Wakefield, Europas wichtigstem Skulpturenpark, ihre bislang größte Präsentation erhalten werden. In seinem umfangreichen Œuvre geht er jedoch weit über dieses formale Vokabular hinaus und beschäftigt sich unter anderem mit der Befragung zwischenmenschlicher Beziehungen. Dabei entwickeln die einzelnen Arbeiten eine romantische bis melancholische Aura. Historische Werke Scullys aus den 1980er Jahren bis hin zu neuen Malereien und Papierarbeiten treffen in der zweiten Ausstellung des Künstlers in den Berliner Räumen der Galerie auf das ,Interieur in Etretat’, ein Gemälde von Henri Matisse aus dem Jahr 1920, welches aus dem Museum Berggruen als großzügige Leihgabe aus Privatbesitz gewonnen werden konnte. Dieses bietet Anlass, in der Ausstellung die Einflüsse des französischen Malers auf Sean Scullys Werk zu beleuchten.
Scully begann sich gegen Ende der 1980er Jahre für die Idee des Fensters als ein Bild im Bild zu interessieren, und dieses Motiv in Gemälden und grafischen Arbeiten aber auch fotografisch einzufangen. In zahlreichen Vorträgen und Schriften hat er immer wieder seine Bewunderung für Henri Matisse und die Bedeutung der Auseinandersetzung mit dessen Werk für seine Malerei betont.[3] Bis heute ist Scullys künstlerisches Schaffen in seiner konsequenten Arbeit mit Streifen und vor allem in seinen ,Window Paintings’ stark von Matisse beeinflusst.
,Interieur in Etretat’ ist ein wunderbares Beispiel für die zahlreichen von Matisse gemalten Interieurs mit Fensterblick, die Scully zu diesem Werkkomplex anregten. In dem kleinformatigen Interieur öffnet sich ein Fenster auf den Hafen der nordfranzösischen Gemeinde Etretat, wo Matisse 1920 einen Teil des Sommers verbrachte. Die gedämpfte Farbigkeit des Gemäldes greift die Stimmung und das Licht des an der französischen Nordküste nahe des Ärmelkanals oft bewölkten Himmels auf und unterscheidet sich in dieser Hinsicht stark von der strahlenden Palette der in Nizza entstandenen Arbeiten des Malers, für die er als Leitfigur der französischen Expressionistengruppe der Fauves bekannt ist.
Auch Scully wählt seine Farben oft direkt aus der Natur, die ihn umgibt. Das auf Aluminium gefertigte Ölgemälde ,Landline Blue Green’ (2016) ist ein Beispiel für Scullys Werktypus der Landlines, in denen breite Balken in ihrer horizontalen Anordnung an das Aufeinandertreffen von Land, Meer und Himmel erinnern und welches gleichzeitig die Palette Matisse’, wie das für ihn typische helle Blau, aufgreift.
Der Bezug zu Matisse’ Interieurs mit Fenster wird neben den ,Window Paintings’ der Ausstellung auch in Papierarbeiten, wie dem Aquarell ,Window 5.18.18’ (2018) sowie dem Pastell ,Windows 5.12.18‘ (2018) sichtbar. Das auffällige Nebeneinander von Farbfeldern, die Überlagerung und Gegenüberstellung von Mustern sowie die repetitive Gestaltung von Flächen sind weitere Anleihen Scullys an Matisse, die in der Ausstellung zum Beispiel in Ölgemälden wie ,Mirror Maroon’ (2015), dem Pastell ,Landline 5.15.18‘ (2018) und an seinen jüngsten Aquatinta-Serien aus diesem Jahr zu sehen sein werden.
Was mich an Matisse [Bildern] interessierte, war die Wiederholung in ihnen, die Verwendung von Mustern, das Dekorative. Er füllt Raum, dekoriert Raum, er betont Raum.
Sean Scully lebt und arbeitet in Upstate New York und im Bayrischen Königsdorf, wobei er ein weiteres Studio in Berlin betreibt. Seine Arbeiten sind in mehr als 200 Einzelausstellungen, wie im Multimedia Art Museum in Moskau (2017), dem Guangdong Museum of Art, Guangzhou (2016), der Pinacoteca do Estado do São Paulo (2015), der National Gallery of Ireland (2015), der Biennale Venedig (2015), der Chinese Academy of Fine Arts, Peking (2014), dem Philadelphia Museum of Art (2012–13), dem Centre Georges Pompidou in Paris (2007), dem Metropolitan Museum of Art in New York (2006), der National Gallery of Australia in Canberra (2004); dem Centro de Arte Reina Sofia in Madrid (2004), der National Gallery of Arts in Washington, D.C. (2001–02) sowie dem Lenbachhaus in München (1989) gezeigt worden.
Allein in diesem Jahr widmen dem Künstler nicht weniger als acht Institutionen umfangreiche Einzelausstellungen, unter anderem das State Russian Museum - The Marble Palace, St Petersburg, die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, die Walker Art Gallery, Liverpool, der Yorkshire Sculpture Park, Wakefield und das Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Washington, D.C.. 2019 wird er in weiteren institutionellen Ausstellungen im Atheneum in Hartford, CT, dem LWL Museum für Kunst und Kultur in Münster, in der Albertina in Wien, sowie zum wiederholten Male während der Venedig Biennale sowie in der Villa Panza in Varese repräsentiert sein.
Scullys Werk ist weltweit in zahlreichen Museumssammlungen vertreten, darunter das Metropolitan Museum of Art, das Museum of Modern Art, und das Solomon R. Guggenheim Museum, das Whitney Museum of American Art, New York City, NY; die National Gallery of Art, die Corcoran Gallery of Art, das Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, das Smithsonian American Art Museum, Washington, D.C.; das Modern Art Museum of Fort Worth, Fort Worth, TX; das San Diego Museum of Art, San Diego, CA; das San Francisco Museum of Modern Art, San Francisco, CA; Tate, The British Museum, das Victoria and Albert Museum, London; die Neue Pinakothek, die Städtische Galerie im Lenbachhaus, München; die Staatlichen Kunstsammlungen, Dresden; die Staatlichen Museen, Kassel; die Staatsgalerie, Stuttgart; das Städel Museum, Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Frankfurt am Main; the Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K20K21, Düsseldorf; die Albertina, Wien; das Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid; das IVAM - Institut Valencià d’Art Modern, Valencia; das Guangzhou Museum of Art, Guangzhou; China Central Academy of Fine Arts, Peking.