Wir freuen uns, mit Alice Attie, Karin Sander und Jongsuk Yoon drei Künstlerinnen zu zeigen, deren Werke in unserer Ausstellung sich in den spezifischen Medien Zeichnung, Skulptur und Malerei artikulieren. Während Karin Sander seit über 20 Jahren in unserem Programm vertreten ist, zeigen wir Arbeiten von Alice Attie und Jongsuk Yoon zum ersten Mal in größerem Umfang in der Galerie.
In ihren Tuschezeichnungen befasst sich Alice Attie (geb. 1950 in New York City, lebt und arbeitet in New York City) mit dem Minimalen und erforscht das Terrain von Schreiben und Zeichnen dort, wo beide sich überschneiden. Ihre Zeichnungen sind Meditationen in Tusche, bei denen durch Repetition, Rhythmus und graduelle Veränderungen auf dem Papier winzige Wörter, Figuren, Zahlen und Bilder entstehen. Diese „Landschaften“ aus Ziffern oder Buchstaben setzen reale Bedeutung außer Kraft und überschreiten die Grenze zwischen Schreiben und Zeichnen hin zu einer visuellen Abstraktion. Ihre Werkserie Class Notes sind Mit„schriften“ aus Philosophie- und Physikvorlesungen, die sie an der Columbia University besuchte. Ihre Zeichnungen sind Neu„schreibungen“ und Umdeutungen dieser Vorlesungen und visuelle Analogien der intellektuellen Auseinandersetzungen.
Ihre Werkserie Take Care of Yourself beruht auf den letzten Vorlesungen, die Michel Foucault 1982-1984 vor seinem Tod am Collège de France in Paris hielt. Mit Bezugnahme auf Socrates umfassen die Überlegungen der „Sorge um sich“ (Le souci de soi) die Sorge um Körper und Geist, die Sorge um den anderen, die Sorge um die Freiheit und die Freiheit der Rede. Atties Zeichnungen, die den Satz „take care of yourself“ unablässig wiederholen, sind kontemplative Orte sprachlicher Ambiguität und Überschreitung. Die Serie Refugee ist eine Fortführung der Serie Requiem, die in Teilen vom Museum of Modern Art, New York, erworben wurde. Dabei verwendet Attie die leeren Blätter der Tagebücher ihres Vaters aus den 1930-1940er Jahren, beschreibt sie mit wiederholten Sätzen oder fingierten Briefen und collagiert sie mit Fotografien aus Zeitungen, eigenen Fotografien, und Fotografien vom Flohmarkt.
Karin Sander (geb. 1957 in Bensberg, Nordrhein-Westfalen, lebt und arbeitet in Berlin und Zürich) ist bekannt für konzeptuell-pointierte Arbeiten wie Zeichnungen mit Büromaterialien, polierte Hühnereier, polierte Wandstücke, Gebrauchsbilder, Mailed Paintings, figurative Plastiken von real existierenden Personen im Maßstab 1:5, 1:7,7 bzw. 1:10, die Audiotour Zeigen, Obst- bzw. Gemüse-Wandstücke (Kitchen Pieces) und andere. Sie arbeitet mit der Zustandsveränderung von Vorgefundenem, seien es Objekte, seien es Räume, seien es Oberflächen. Mit geringfügigen Eingriffen in die Situation legt sie deren materiellen Bedingungen offen.
Bei ihrem Glasprojekt, bei dem sie mit Berlin Glas e.V. zusammengearbeitet hat, war sie eingeladen, neue Arbeiten mit dem traditionellen Werkstoff zu entwickeln. Karin Sander hat in den Ateliers zunächst versucht, mit ihrem analytischen Blick das Glas, dessen Konsistenz und Eigenschaften zu verstehen, um dann Objekte zu entwickeln, in denen diese Erfahrungen sichtbar werden. Vor allem das zähe Fließen von Glas, seine Reaktion auf Hitze und Kälte bestimmen die Verarbeitung und Gestaltung. Karin Sander nimmt die grundlegenden Arbeitsschritte von Gießen und Tropfen als Ausgangspunkt. „Flüssiges Glas breitet sich auf einer Fläche aus und fließt langsam über die Kanten bis zur tropfenförmigen Erstarrung. Schicht um Schicht wird übereinander gegossen, und jede Schicht erhält dabei ihre ganz eigene Form, die sich aus Konsistenz und Viskosität des Materials ergibt. Die erkalteten Glasskulpturen, langsam zu festen Körpern erstarrte Fließbewegungen, erinnern an Lava wie auch an Eis.“ (Karin Sander)
Die Malerei von Jongsuk Yoon (geb. 1965 in Onyang, Südkorea, lebt und arbeitet in Düsseldorf) wirkt auf den ersten Blick einer abstrakt-expressiven Tradition verpflichtet. Tatsächlich ist Jongsuk Yoon durch ihr Studium an den Kunstakademien in Münster und Düsseldorf mit den Paradigmen der euro-amerikanischen Moderne vertraut. Gleichzeitig ist sie jedoch geprägt von der Tradition ihres Herkunftslandes, geprägt von asiatischem Formempfinden vor allem hinsichtlich der Landschaftsmalerei und ihrer flächigen Darstellung. Yoons Gemälde entstehen im Prozess, der von Meditation und Konzentration geleitet ist. Ihre gedämpfte Farbigkeit sowie häufige Perspektivwechsel in angedeuteten Landschaftselementen und kalligrafisch anmutenden Gesten halten westliche und ostasiatische Mal-tradition in der Schwebe, ohne dass sie einander vereinnahmen. Trotz aller malerischen Bewegung ist eine große Langsamkeit spürbar, etwas Stilles und Überpersönliches, das jegliches Drama vermeidet, und offen bleibt für Unvorhergesehenes. Yoon beschreibt den Malprozess als eine Art „Kommunikation zwischen dem Bild und mir… Ideen, Gedanken formulieren sich beim Arbeiten und äußern sich auf der Leinwand. Ich habe das fertige Bild nicht im Kopf. In gewisser Weise sagt es selbst, was zu tun ist…“ In diesem Prozess als „Beziehungsgeflecht“ entstehen Gemälde, die voll Poesie zwischen disparaten Welten schweben und als „Mind Landscapes“ (so der Titel ihrer Personale 2017 im Museum Kurhaus Kleve) zu Bildmetaphern zwischen Traum und Realität werden.