Inge Mahns (DE 1943) Skulpturen bringen den Umraum mental zum Mitschwingen. Diese enge Verknüpfung von Werk und Raum macht ihr Werk für die junge Künstlergeneration heute wieder höchst aktuell, es steht erneut im Zentrum der internationalen öffentlichen Aufmerksamkeit. Bereits 1972, direkt nach ihrem Studium bei Joseph Beuys in Düsseldorf, wurde Inge Mahn von Harald Szeemann zur documenta 5 für die Sektion "Individuelle Mythologien" eingeladen, ihre Raumskulptur einer leeren "Schulklasse" war hier eine Ikone. Es folgten internationale Einzelausstellungen wie im Tranegarden Kopenhagen (1976), im Kunstmuseum Düsseldorf (1980), im PS 1 New York (1981), im Lenbachhaus München (1983) oder im Künstlerhaus Bethanien Berlin (1985). Zuletzt, 2017, zeigte Inge Mahn eine Ausstellung mit durchweg neuen Werken im Kunstverein Braunschweig; aktuell ist ihr ein Künstlerraum im K 21 - Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen gewidmet. Ihre Arbeiten sind Bestandteil vieler renommierter Museumssammlungen.
Inge Mahns Plastiken und architektonische Eingriffe spielen auf konkrete Gegenstände des Alltags an und demonstrieren deren dynamisches Veränderungspotential. Die Materialität der Werke, häufig ungefärbter Gips, und die verfremdenden Größenverhältnisse entfernen die Ding-Motive dabei aus der Normalität, spielerisch entwickelt sich ein breites künstlerisches Feld des normalerweise "Nicht-Gesagten", eine Art Meta-Sprache.
Die aktuelle Düsseldorfer Ausstellung knüpft an Inge Mahns vorangegangene Präsentation im Kunstverein Braunschweig an, die im Parcours von sieben Räumen ein skulpturaler "Akt der Balance" war. Bei der großen Gruppe "Stehende Vorhänge" (2017) stehen hohe gipsgetränkte Stoffbahnen im Raum. Der Titel ist irreführend, denn die Objekte haben sich aus dem Zusammenhang gelöst und bewegen sich ohne etwas zu verbergen, frei im Raum. Ihre Faltenwürfe balancieren das eigene Gewicht aus. Es entwickelt sich ein tänzerisches Spiel, eine Art Parade.
Die Arbeit sorgt auch für einen kontinuierlichen Wechsel der Blickachsen und bringt so den Raum in geistige und optische Bewegung. Die Verfremdung alltäglicher Handlungsmuster setzt sich in den beiden Arbeiten "Balancierender Stuhl" und "Balancierende Kugel" (beide 2017) fort. Das eine Mal steht ein Stuhl in Umkehrung seiner normalen Funktion auf der Rückenlehne und balanciert mit den Stuhlbeinen eine große Gipskugel. Das andere Mal steht ein Stuhl seinerseits auf einer Kugel in prekärer Balance. Das symbolgeladene Motiv wird hier gespiegelt und auf den Kopf gestellt.
Inge Mahns frühe Arbeit "Hundehütten" (1976) ist auf andere Weise ein Sinnbild menschlicher Existenz. Sie erinnert an das Phänomen der genormten Reihenhäuser, das hier in der kleinen Dimensionalität zur Groteske wird. Dem entgegen steht die "Gestiefelte Säule" (2016) völlig autonom und funktionslosgelöst auf zwei schwarzen Stiefeln im Raum. Die gewohnte Grundordnung des Stützens und Gestütztwerdens ist durcheinander geraten.
Das Komische und das Tragische als die permanente bedrohliche Fallhöhe im Leben des Menschen liegen in Inge Mahns Werk eng beieinander. Die Künstlerin betrachtet ihre Skulpturen als "Haltepunkte" im Zwischenbereich der Veränderung. Widerspruch ist hier nicht störend, sondern Methode. In Inge Mahns eigenen Worten wird dieser Spannungszustand so formuliert: "Ich ordne, um zu begreifen, oder besser: Ich versuche die Ordnung, die hinter den Dingen steht, zu erfassen. Ich will die Zusammenhänge wissen, will hier Ordnungen erfahren, die ich vermute: Ordnungen die unseren Übereinkünften widersprechen oder sie außer Kraft setzen und die trotzdem miteinander funktionieren."
Aktuell zeigt Inge Mahn eine Einzelpräsentation im K21-Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. 2017 war Inge Mahns Ausstellungen im Kunstverein Braunschweig zu sehen. Ihre Arbeiten sind in internationalen Sammlungen vertreten wie im Istanbul Modern, Hamburger Bahnhof Berlin, Kiasma - Finnish National Gallery, Helsinki oder Von der Heydt-Museum Wuppertal. Weitere Ausstellungen (Auswahl): 1972 documenta 5 (G); 1981 PS 1 New York (S); 1983 Lenbachhaus München (S); 1985 Künstlerhaus Bethanien (S); 1980 Kunstmuseum Düsseldorf (S); 1988 Hamburger Bahnhof, Berlin (G); Württembergischer Kunstverein Stuttgart (S); 1996 Kunsthalle Helsinki (S), 1998 Kunstmuseum Reykjavik (G); 1999 Kunsthalle Kassel (G) 2016/17 Hamburger Bahnhof (G).