Ein Baum versinnbildlicht auf exemplarische Weise den Kontrast zwischen zwei Kräften: der Schwerkraft und dem Gewicht des Lebens, von dem wir Teil sind. Das Bedürfnis und die Suche nach einem Gleichgewicht, mit dem ein jedes Lebewesen versucht, der Schwerkraft entgegenzuwirken, treten in jedem Schritt und in jeder noch so kleinen Handlung unseres Lebens zutage. Ein Flussstein erscheint in den Ästen eines Baumes.
(Giuseppe Penone)
Gagosian freut sich, in der eindrücklichen Berglandschaft von Gstaad die außergewöhnliche Installation „Idee di Pietra“ von Giuseppe Penone zu präsentieren. Zwei wirkungsvolle bronzene Baumskulpturen aus der Idee di Pietra-Serie wurden auf einer Weide auf einem Hügel gleich neben dem Hotel Le Grand Chalet installiert. Idee di pietra – Olmo (2008) und Idee di pietra – Ciliegio (2011) waren beide Teil der Penone gewidmeten Ausstellung im Schloss Versailles im Jahr 2013. Wie die Titel nahelegen, bilden die Skulpturen eine Ulme [olmo] und einen Kirschbaum [ciliegio] nach. Penone beschäftigt sich mit den Konzepten der Schwerkraft, des Gleichgewichts und des Maßstabs, wobei er Menschengemachtes mit Organischem verschmelzen lässt. Dabei manipuliert er oft die natürliche Eleganz von Bäumen, indem er sie verdreht, dekonstruiert, aushöhlt und die organischen Figuren entwurzelt. Er bringt Spuren von Fingerabdrücken, Nägeln, Kabeln, Schnitzereien oder ganze, instabil platzierte Felsbrocken an und hebt so den künstlichen Charakter der Kunst sowie die Wirkungen der menschlichen Interaktion mit der Natur hervor.
Idee di Pietra setzt sich mit der Phänomenologie des Steins auseinander, mit seinen physischen und ästhetischen Eigenschaften im Verhältnis zum Baum und dem Gebirgsumfeld. Der Ansatz der Baumkrone jeder Skulptur beherbergt einen Monolithen aus dem italienischen Piemont, wobei die dürren Äste der Masse des Steins entgegenhalten. Penone wählte weitere Steine aus einem nahegelegenen Steinbruch in Lauenen aus und platzierte sie in die saftige Wiese, um den geologischen Entstehungsprozess der Alpen zu würdigen. Während seines 40-jährigen Schaffens hat Penone natürliche Materialien und Formen eingesetzt und so die kontrastierenden und grundlegenden Beziehungen zwischen Mensch und Natur ergründet. Penone ist Vertreter der Arte Povera—einer Kunstbewegung, die im Italien der 60er Jahre entstand, bei der als Ausdruck einer politischen Haltung „arme” und gewöhnliche Materialien eingesetzt warden—und entsprechend sind seine unverwechselbaren Werke geprägt von der Reaktion auf die Wälder rund um sein Geburtsdorf Garessio in Italien: indem er die natürlichen Zyklen der Umgebung aufnahm, veränderte, neu schuf und mit ihnen interagierte, ließ er die Grenzen zwischen dem körperlichen Selbst und der Andersartigkeit der Natur verschwimmen. In seinen Skulpturen, Zeichnungen und Installationen schaffen der Atem, das Wachstum und andere unwillkürliche Prozesse eine Kongruenz zwischen dem menschlichen und dem botanischen Leben und geben ihrem gleichartigen Sein eine Form als vitale Skulpturen.
Gleichzeitig zu der Installation in Gstaad wird Gagosian Genf vom 30. Januar bis zum 23. März 2018 eine Auswahl von Penones Arbeiten zeigen.
Giuseppe Penone wurde 1947 in Garessio, Italien, geboren. Er lebt und arbeitet heute in Paris und Turin. Zu den jüngeren institutionellen Ausstellungen seiner Werke gehören „Retrospective Exhibition 1968–2004“, Centre Georges Pompidou, Paris (2004, später im CaixaForum, Barcelona); Museo d’Arte Moderna di Bologna, Italien (2008); Toyota Municipal Museum of Art, Japan (2009); Musée des Arts Contemporains du GrandHornu, Belgien (2010); „Drawings and Sculptures“, Fondation De Pont, Niederlande (2010); „The Hidden Life Within“, Art Gallery of Ontario, Kanada (2011); Centre d'arts et de nature, Parc du Château, Domaine de Chaumont-sur-Loire, Frankreich (2012); „Entre les lignes“, Chapelle du Méjan, Frankreich (2013); „22 Opere a Versailles“, Château de Versailles, France (2013); Kunstmuseum Winterthur, Schweiz (2013); „Ideas of Stone (Idee di Pietra)“, Madison Square Park, New York (2013–14); „Breath Is A Sculpture“, Beirut Art Center, Libanon (2014); „Prospettiva Vegetale“, Forte di Belvedere and Giardino di Boboli, Florenz (2014); Musée Grenoble, Paris (2014); „Being the River, Repeating the Forest“, Nasher Sculpture Center, Dallas (2015); „Regards croisés“, Musée Cantonal des Beaux-Arts, Lausanne, Schweiz (2016); Rijksmuseum, Amsterdam (2016); „Sculpture“, Museum für moderne und zeitgenössische Kunst Trento und Rovereto, Italien (2016); „Anafora“, Reggia di Venaria Reale, Italien (2016); und „Matrice / Matrix“, Palazzo della Civiltà Italiana, Rom (2017).