Der slowakische Fotograf und Kameramann Martin Kollar findet seine Bilder buchstäblich am Strassenrand. Mit einem scharfen Sinn für vieldeutige Geschichten erforscht er in seinen Arbeiten das Wesen hinter der sichtbaren Oberfläche.
Für Provisional Arrangement streifte er einige Monate lang durch Europa, um die Idee des Provisorischen zu befragen, die mit Zeit und Erinnerung, Veränderung und Dekonstruktion verknüpft ist. Er begegnete Überbleibseln, Ruinen, vorläufigen Lösungen, zufälligen und unorthodoxen Arrangements, Fragmenten von Geschichten und Geschichte. Mit seinen Fotografien untersucht er eine Welt, in der das Konzept der Beständigkeit oder gar Ewigkeit nicht existiert. Indes verwandelt er die provisorischen Arrangements, indem er sie mit seiner Kamera festhält, mit subtilem Humor in Denkmäler alltäglicher Ungewissheit. Seine Bilder des Mannes in Flammen, der neben einem Gazprom Kanister steht, oder des heruntergekommenen Raumes, dessen leckes Dach durch Paletten abgestützt ist, sind Metaphern für die existentielle Erfahrung der Unsicherheit.
Martin Kollar wuchs während des Kommunismus auf, dessen Leitsatz «Mit der Sowjetunion in alle Ewigkeit» war. Damals fügten er und seine Zeitgenossen lachend hinzu: «Aber nicht eine Stunde länger». Seit dem Zusammenbruch des Regimes hat seine Generation mit der leere zu kämpfen, die das Verschwinden der alten Dogmen hinterlassen haben, und mit endlosen Spielarten der Zersetzung. Der Künstler kommentiert diese Erfahrung des Zerfalls der Dauerhaftigkeit in
vorläufige Lösungen: Wir befinden uns in einer komplexen Welt ohne einen Sinn für Beständigkeit und Sicherheit. Wir umgeben uns mit temporären Freunden, wir haben temporäre Frauen, wir haben einen temporären Zahnersatz und wir ziehen temporäre Aufenthaltsorte permanenten Adressen vor.
Provisional Arrangement gewann 2014 den ersten Prix Elysee, der einen Beitrag an die Fertigstellung des eingereichten Projektes und eine mit dem Projekt verbundene Publikation umfasst. Die Qualität von Martin Kollars Werk war so überzeugend, dass das Musee d'Elysee in Lausanne diese Serie 2016 in einer Ausstellung zeigte.
Martin Kollar ist 1971 in Zilina in der Tschechoslowakei, heute Slowakische Republik, geboren. Er studierte Kamera an der Filmfakultät der Hochschule für Musische Künste in Bratislava und arbeitet seither als freischaffender Fotograf und Kameramann. Er war an dem ausserordentlichen Projekt This Place beteiligt, in dessen Rahmen seine Serie Field Trip entstand. This Place wurde bisher im DOX in Prag, im Tel Aviv Museum of Art, im Norton Museum of Art in Florida und im Brooklyn Museum of Art in New York gezeigt. Der Künstler gewann verschiedene Stipendien und Preise, darunter den Oscar Barnack Preis. Als Kameramann hat Martin Kollar an zahlreichen Filmen mitgewirkt, u.a. Koza (2015), Velvet Terrorists (2013), Cooking History (2009), 66 Seasons (2003). Mit dem Film 5 October gab er 2016 sein Debut als Regisseur und Drehbuchautor.