Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts waren innerstädtische Parks in Europa im Privatbesitz wohlhabender Familien und des Adels. Erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts werden öffentliche Grünanlagen als städtische Erholungsgebiete betrachtet und angelegt, als „grüne Lungen“, die der Bevölkerung Erleichterung verschaffen in den durch die Verwerfungen der industriellen Revolution zum Teil unerträglich überbevölkerten Arbeiterquartieren der europäischen Großstädte.
Heute, wo die urbane Planung in den europäischen Innenstädten oft abgeschlossen ist, entstehen neue Parks immer häufer auf zurück gewonnenen Brachflächen in und um die Städte herum. Simon Roberts’ fotografische Serie verfolgt eine „Timeline“ entlang der Geschichte städtischer Parks - von 1660, als in London der St. James Park der Bevölkerung zugänglich gemacht wurde, bis heute. Die Serie zeigt die sich verändernden Bedeutungen der Parks im Stadtraum im Laufe der Jahrhunderte, ihre kulturhistorische Geschichte und ihre Rolle als Ort der Begegnung und der Selbstdarstellung im öffentlichen Raum – als Vorläufer sozialer Datennetzwerke sozusagen.
Wenn wohlhabende Europäer im 19. Jahrhundert auf ihre große Europa-Rundreise aufbrachen, erwarteten sie von der Schweiz überwältigende, die Seele erhebende Landschaftsansichten. Die ungebändigte, romantische, majestätische Natur wurde zum Kern der helvetischen Identität und zu ihrem kulturellen Prestige. Heute erscheint die Landschaft der Schweiz oft wie ein Bühnenbild. Touristen werden an offiziell ausgewiesene Orte von zertifizierter landschaftlicher Schönheit geschafft um dort von TÜV-geprüften, abgesicherten Aussichtsplattformen aus ikonenhafte Naturansichten zu betrachten. Der amerikanische Kulturforscher Dean MacCannel bezeichnet das als „Sakrifizierung des Anblicks“ (Sight Sacralization): Ein Ort wird benannt, eingerahmt und erhöht, bevor er quasi als Heiligtum verehrt, mechanisch reproduziert und schließlich durch eine Vielzahl von sozialen Medien reproduziert wird. Touristen werden sowohl zu Darstellern als auch zu Zuschauern in einem Kreis der Betrachtung, in dem, laut Andy Grundberg, „alles was wir sehen durch das Kaleidoskop der Dinge betrachtet wird, die wir zuvor gesehen haben!“.
Die großformatigen Arbeiten in Simon Roberts’ Serie wurden von den Aussichtsplattformen an den meistfotografierten Orten der Schweiz aufgenommen. Diese Orte wurden durch die Software Sightsmap identifiziert, die anhand der geo-tags von im Internet verbreiteten Bildern eine Echtzeit-Heatmap erstellt. Die Serie beschäftigt sich mit Fragen nach Ästhetik, Darstellung und individueller und kollektiver Identität. Das Fotoprojekt entstand im Auftrag der Fotostiftung der Schweiz und des Musée de l’Elysée in Lausanne, wo es vom 25. Oktober bis zum 7. Januar 2018 zu sehen sein wird.
Für seine Serie „The Last Moment“ nutzt Simon Roberts Scans, Überlagerungen, Markierungen und Ausblendungen, um auf das Wesentliche reduzierte, abstrakte Bilder zu schaffen, in denen unterschiedlich große Kreise scheinbar schwerelos in halb-transparenten Himmeln schweben.
Es ist viel die Rede von der enormen Zahl von fotografischen Bildern, die heute täglich weltweit entstehen, von der sich verändernden Rolle des Fotografen und von dem andauernden Bedürfnis, unser eigenes Leben und die Welt um uns herum zu dokumentieren. Vor diesem sozialen, technologischen und psychologischen Hintergrund entstand Simon Roberts’ Arbeit. In einem ersten Schritt scannt er Bilder von globalen Ereignissen, die er in britischen Tageszeitungen gefunden hat. Das Scannen einer ganzen Zeitungsseite ist ein körperlicher Akt, dem ein Akt des Markierens folgt: Jedes Mal, wenn auf den Fotos eine Kamera zu sehen ist, sei es eine Handy-Kamera oder eine professionelle digitale Spiegelreflexkamera, wird diese markiert und eingekreist. Der Begriff Transluzenz, also Lichtdurchlässigkeit, wird zum Schlüsselbegriff der Serie, wenn Roberts in einem weiteren Schritt den Hintergrund ausblendet, indem er ihn mit einer weißen Schicht überlagert, die eine gespenstische Blende erzeugt, einen Negativraum, markiert durch unterschiedliche Konstellationen von körperlosen „Augen“. „Transluzenz“ soll in diesem Projekt aber nicht nur als Prinzip der visuellen Gestaltung verstanden werden, sondern auch als Metapher für die Rolle, die Kameras und die Fotografie in unseren Gesellschaften heute spielen.