Imi Knoebel präsentiert eine Reihe von neuen Arbeiten, die hier erstmals gezeigt werden.
Da sind zum einen die „Datumsbilder“ aus der Reihe der „Asteroiden mit gespaltener Persönlichkeit“, die seit 2013 in unregelmäßigen Abständen entstehen. Es handelt sich dabei um Konfigurationen aus einzelnen Farbtafeln – wobei anfänglich zwei zueinander in Beziehung gesetzt wurden, während bei der jüngsten für Wien geschaffenen Gruppe jeweils drei Elemente im Spiel sind. Dabei geht es allerdings nicht um Zahlensymbolik, weil die Anordnung von drei Elementen zu einer neuen Entität ganz einfach die Komplexität der Komposition erhöht und damit weitere Felder der Kommunikation eröffnet, die über den Monolog und den Dialog hinausweisen – vielleicht sogar in astrophysikalische Dimensionen. Wer aber eine intendierte Botschaft erwartet, wird enttäuscht, denn selbstverständlich sind auch diese Bilder – wie Imi Knoebels ganzes Schaffen – ganz der Tradition der abstrakten gegenstandslosen Kunst in der Nachfolge von Kasimir Malewitsch oder Piet Mondrian verpflichtet. So ist Knoebels Kunst immer auch konzeptuell angelegt, rational motiviert und folgt immer eigenen, meist aus der Intuition erwachsenden, aber nachprüfbaren Regeln jenseits eines verbindlichen Systems. Daraus entstehen präzis konstruierte Bildwerke, deren unvergleichlich vielfältige Farb- und Formgestalt vor allem einmal einzigartige visuelle Sensationen darstellen und gleichzeitig die Imagination der Betrachter auf offene Assoziationsfelder entführen.
Die jüngsten Arbeiten dieser Ausstellung entstammen der neuen Serie der „Drachenlinien“. „Drachen“ sind ein zentrales Motiv bei Imi Knoebel, sie erschienen konkret erstmals in Form jener unregelmäßigen, rautenähnlichen weißen Tafeln, die 1971 in der Münchener Galerie Heiner Friedrich, hoch gehängt, „einen lichten, hellen Raum [machten], der still war“. (Franz Dahlem) 1981 sah man sie noch einmal im Van Abbemuseum in Eindhoven und schließlich 2015 in großer Höhe in Helligkeit entrückt im Londoner White Cube Bermondsey. Die Idee des „Drachen“ scheint aber auch in den frühen „Projektionen“ auf und ruft sich als diagonal-dynamisches Element immer mal wieder in Erinnerung. Drei der Wiener „Drachenlinien“ bilden unregelmäßige, in unterschiedlichen Rottönen gehaltene Vierecke, die ungefähr mittig geteilt sind, wobei der freihändig geführte Schnitt mal zur Senkrechten, mal zur Diagonalen und mal zur Waagrechten tendiert.
Die einzeln und mehrschichtig bemalten Aluminiumtafeln wieder zu einer Einheit montiert, scheinen als malerische Ereignisse vor der Wand zu schweben und ihre intensive Farbigkeit in den Raum zu tragen. Daneben, in der Wirkung kompakter, das ebenso unregelmäßige, sechseckige Teil mit fünf olivengrünen Elementen, dessen Titel „Ouroboros“ Dimensionen eines mythologischen Denkens ins Spiel bringt. Durchaus passend zu „Asteoriden“ und „Drachen“, die uns Imi Knoebel mit heiterer Grandezza vorträgt, offenbart sich in seiner grundsätzlich strengen, wenn auch zunehmend freihändigeren Arbeitshaltung nicht zuletzt die Poesie der Genauigkeit.