Button Down Modernism - der Titel der Ausstellung klingt nach sportiven Oberhemden und Geschäftigkeit und enthält auf verbaler Ebene bereits vieles von jenem Anspielungsreichtum, der das Werk Donald Sultans so vielschichtig und unwiderstehlich macht.
Blumen, Früchte und Naturmotive spielen in Sultans Werk eine tragende Rolle und werden dabei zu Mittlern von Reflexionen über Kunstgeschichte und Zeitgeist. Mit seinen Bildwerken hat Donald Sultan (* 1951 in Asheville, North Carolina, lebt und arbeitet in New York) sich als einer der wichtigsten Erneuerer der us-amerikanischen Malerei in die Kunstwelt eingeschrieben. Seine Arbeiten befinden sich in den Sammlungen internationaler Museen wie dem Metropolitan Museum of Modern Art in New York, dem Centre Pompidou in Paris und der Tate Gallery in London. Für sein Schaffen wurde Donald Sultan mit zahlreichen Würdigungen und drei Ehrendoktortiteln ausgezeichnet.
Mit gelben und schwarzen Lemons begann für Donald Sultan Mitte der 1980er Jahre die intensive Beschäftigung mit Naturmotiven, und damit eine Neubelebung des Genres der Stilleben und Blumenstücke mit all seinen kunsthistorischen und philosophischen Implikationen. Den Anstoss gab die Auseinandersetzung mit dem Werk Eduard Manets, insbesondere mit dessen Gemälde Le Citron von 1880/81. In grossen Bildzyklen wie den Oranges und Morning Glories hat Sultan seine Beschäftigung mit Naturmotiven kontinuierlich weiter getrieben, und dabei eine Bildsprache entwickelt, die reduziert und plakativ auf den Symbolcharakter des Dargestellten verweist. Auf der Materialebene bedient Sultan sich bei Bau- und Handwerksstoffen wie Linoleum, Teer, Emaille. Die Verwendung dieser Werkstoffe ist zum Markenzeichen des Künstlers geworden.
Stillleben und Blumenstücke sind in der zeitgenössischen Kunst wenig präsent. Zuvor aber galten sie als ideale Motive, um malerisches Können und kompositorische Raffinesse zu beweisen und um Fragen nach Wahrnehmung und Darstellungsweise, Farbwirkung und Form sowie nach Lebensphilosophie reflektieren zu können. So reizt Donald Sultan an der Darstellung von Blumen, dass sie eng «verflochten sind mit der Sprache der menschlichen Emotionen und der Sprache der Kunst». Der Künstler denkt dabei an Redewendungen wie die Blüte der Jugend oder die blühende Gesundheit. Die Kunst nutzt die Blume um Jugend, Lebenskraft und Schönheit, aber auch Vergänglichkeit zu thematisieren. Donald Sultan geht einen entscheidenden Schritt weiter und lädt die Blume mit Verweisen auf Kunst- und Zeitgeschichte auf.
Dies geschieht zum einen durch Sultans ungewöhnliche und komplexe Technik. Donald Sultan verarbeitet Industriematerialien wie Teer, Lackfarbe, Spachtelmasse und Linoleumplatten. Gemeinsam mit der flächig-reduzierten Gestaltung der Motive, die an die Ikonographie der Pop Art und der Werbegrafik erinnert, verweist die Materialität der Werke auf die serielle Herstellung von Naturgütern in hochtechnisierten Gesellschaften und die Künstlichkeit, die somit auch einer Blume innewohnen kann. In Donald Sultans aktueller Serie, den Button Flowers wird dieses Moment des Künstlichen noch gesteigert, indem die plakativen Blüten mit Knopflöchern statt Staubgefässen versehen sind.
Sprechend ist auch Sultans Farbwahl. Für die Button Flowers verwendet er Lacke in mattem Aquamarinblau oder dotterigem Gelb – Farbtöne, die um 1959 für Automobile verwendet wurden. Heute sind diese Farbtöne aus dem Strassenleben verschwunden, was den Bildern eine leicht nostalgische Färbung gibt. Die grossen Lack-Blumen auf Hartfaserplatten erinnern an eine Zeit des fröhlichen Fortschrittsglaubens. Ebenso die geometrisch gemusterten Hintergründe, «die leicht ein Hemd oder eine Jacke sein könnten», wie Sultan selbst sagt. Doch diese Hintergrundmuster sind mehr, sie evozieren Gemälde Piet Mondrians, des legendären De Stijl-Gründers, der in seiner strengen Kunst eine Kraft sah, die «die alten Formen von Staat, Religion und Familie zerstören und neue, einfachere und bessere erschaffen würde.» So erlauben die Button Flowers einen Blick durchs Knopfloch der jüngeren Geschichte auf die euphorischen Zukünfte der jüngeren Vergangenheit und zugleich auf die Glanzlosigkeit, die dem Begriff Zukunft heute anhaftet.