Die Ausstellung Posiitiv bringt mit Tobias Grewe und Heiko Räpple zwei Künstler in der Galerie Judith Andreae zusammen, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten: Tobias Grewe ist Autodidakt und arbeitet fotografisch, während Räpple an der Düsseldorfer Kunstakademie mit einem Meisterbrief in Bildhauerei abschloss. Dem einen reichen Kamera und Computer, während der andere beachtliche Materialvorräte, ein großes Atelier und diverse Gerätschaften für seinen künstlerischen Prozess benötigt.
Auf den zweiten Blick erkennt man jedoch, warum diese Künstler zusammengebracht worden sind: Es sind Strukturen, die Tobias Grewe in Form von Fotografie und Video und Heiko Räpple bildhauerisch als visuelles Ergebnis entstehen lassen. Entlang dieser Strukturen gibt es in beiden künstlerischen Prozessen formale Überlegungen, die auf Gegensätzen basieren: Was ist innen, was ist außen? Was ist negativ, was ist positiv? Was ist hart, was weich? Was ist klein, was groß? Was ist stabil und was flexibel? Was ist statisch und was in Bewegung? Was ist leicht und was ist schwer? Die Liste ließe sich beliebig fortschreiben.
In diesem Zusammenhang ist auch der Titel der Ausstellung zu verstehen. Die in der Mitte platzierten Großbuchstaben ergeben gleichzeitig die römische Zahl Zwei: Zwei Künstler, zwei Genres und Dialektik als Grundlage des künstlerischen Arbeitsprozesses finden hier ihren Ausdruck. Durch die Gestaltung der Karte ergänzt man im Kopf automatisch das Wort „Negativ“ als Pendant zu „Positiv“. Das Wort als solches kommt jedoch mit voller Absicht nicht vor, es wird nicht manifestiert.
Die künstlerische Arbeit von Grewe und Räpple wird bestimmt durch einen Vorgang des Ausponderierens von Gegensätzen (wie Über- und Unterbelichtungen oder der Frage nach dem Außen oder Innen eines Kunstwerks). Dieses Vorgehen führt zu Bildfindungen, welche den Betrachter beim Wahrnehmen der Arbeiten zum aktiven Hinterfragen einladen. Im Einzelnen stellt sich bei den Arbeiten von Tobias Grewe die Frage: Wann wird eine Fotografie zu Malerei? Wann zu einer Zeichnung? Wo ist die Grenze, falls sie denn überhaupt existiert? Strukturen sind hier visuelle Ergebnisse eines formalen Diskurses, der letzten Endes über das Medium Fotografie als Abbild der Realität weit hinausgeht. Parallel dazu taucht bei Heiko Räpple über den Weg der Strukturen immer wieder die Fragestellung auf: Was kann Skulptur und was ist Skulptur eigentlich?
Wir sind also mitten in der Diskussion über die künstlerischen Gattungen und ob diese heutzutage überhaupt noch wichtig sind – wo es durchaus üblich geworden ist, in der Akademie-Klasse eines namhaften Fotografie-Professors als Student Bildhauerei zu betreiben.
Heiko Räpple und Tobias Grewe untersuchen formale Aspekte, indem sie These und Antithese so lange bildlich gegenüberstellen, bis sich eine Lösung oder ein neues Verständnis in Form der Synthese ergibt. Das führt bei beiden Künstlern zu Kompositionen, die durch unterschiedliche Medien für den Betrachter letztendlich denselben Erkenntnisgewinn erzeugen.
Eine weitere augenfällige Gemeinsamkeit – mehr auf sinnlicher als auf intellektueller Ebene - ist das Gespür beider Künstler für eine gewisse monochrome Ästhetik, die allerdings bei beiden nicht Gegenstand oder Motivation ihrer Arbeitsweise ist. Beiden fehlt die in der modernen (Kunst-)Welt des Öfteren auftretende Angst vor der Schönheit.
Text von Julia Ritterskamp