Cindy Sherman etablierte sich in den letzten 35 Jahren als eine der weltweit einflussreichsten zeitgenössischen Künstlerinnen. Seit den 1970er Jahren setzen sich ihre fotografischen Porträts mit Identität, Geschlecht oder Rollenverteilungen auseinander und parodieren Frauendarstellungen in Film, Fernsehen, Modezeitschriften, der Werbung und im Internet. Cindy Sherman tritt dabei in einer Vielfalt von Verkleidungen in Erscheinung, an denen die performative Natur von Subjektivität und Sexualität anschaulich wird. In ihrer frühen schwarzweißen Fotoserie Untitled Film Stills (1977-1980) inszenierte sich Sherman als Schauspielerin in fiktiven Filmszenen, die sich mit der Ästhetik des Hollywood-Films, des Film noir, sowie B-Movies aus der Mitte des Jahrhunderts auseinandersetzen. Indem sie stereotypische und klischeehafte Frauenbilder überdramatisiert, fordert sie den Betrachter zu einer kritischen Wahrnehmung auf. Ihre Werke sind nicht nur als Hinweis auf Identitäten als gesellschaftliche Konstruktionen zu verstehen, sondern auch als Kommentar zu Strategien medialer Repräsentation. In anderen Serien, wie Centerfolds (1981), Fashion Photos (1984-1984), Sex Pictures (1992) und Clowns (2004), zeigt sich Sherman mithilfe von Make-up, Perücken, Kostümierungen und Prothesen in Rollen, die zwischen provokativ, passiv, pornografisch und grotesk oszillieren.
Cindy Sherman’s jüngste Serie (2016) wird erstmals vollständig in Europa gezeigt; es ist die sechzehnte Ausstellung in der seit mehr als drei Jahrzehnte währenden Zusammenarbeit zwischen der Künstlerin und der Galerie. In den großformatigen Farbporträts zeigt sich die Künstlerin in der Rolle der Grandes Dames aus dem goldenen Zeitalter des Hollywood-Kinos, den 1920er Jahren. Im Unterschied zu früheren Serien sind die hier dargestellten Schauspielerinnen außerhalb des filmischen Geschehens porträtiert, sie posieren stattdessen für formelle Publicity-Fotos. Trotz ihrer aufwendigen Kleidung, den gestylten Frisuren und stark geschminkten Gesichtern haben die Leinwand-Diven ihre besten Jahre bereits hinter sich. Feine Linien zeichnen sich unter dem in dicken Schichten aufgetragenen Make-up ab, und von Adern durchzogene, sichtbar gealterte Hände bilden einen extremen Gegensatz zu den getünchten Gesichtern. Hinter Gleichmut und ernstem Gesichtsausdruck scheinen schmerzliche Momente hochgradiger Verletzlichkeit auf. Die Schauspielerinnen posieren vor digital bearbeiteten Hintergründen, die Filmkulissen und Hintergrundattrappen, wie Wolkenkratzer, eine belebte Café-Szenerie, kultivierte Gärten und eine klassische Landschaft, aus längst vergangener Zeit wiederaufleben lassen.
Die Arbeiten sind im Thermosublimationsdruckverfahren entstanden, einem Prozess, bei dem Farbe mittels Hitze direkt auf Metall aufgebracht wird. Die Technik erlaubt es, auf eine Rahmung hinter Glas zu verzichten, wodurch die lebensgroßen Figuren unmittelbarer und lebendiger wirken – fast scheint es, als würden sie aus ihren altmodisch gewordenen Bühnenbildern hervortreten, um in unsere zeitgenössische Welt einzudringen.
Cindy Sherman (*1954 in New Jersey) lebt und arbeitet in New York. Zu ihren ausgewählten Einzelausstellungen zählen Präsentationen im The Broad, Los Angeles (2016); The Museum of Modern Art, New York; San Francisco Museum of Modern Art; Walker Art Center, Minneapolis, sowie im Dallas Museum of Art (2012); Louisiana Museum of Modern Art, Kopenhagen; Martin-Gropius-Bau, Berlin (2007); Kunsthaus Bregenz (2006/07); Jeu de Paume, Paris (2006) und der Serpentine Gallery, London (2003).
Sprüth Magers präsentiert in Berlin zeitgleich die Einzelausstellung A Selection of Works from the Betty and Monte Factor Family Collection von Edward & Nancy Kienholz.