Zeit läuft und verläuft. Lang genug, um sich gegen Bedeutung zu sperren. Das kann erschrecken.
El Haïks sich wiederholende, in Zeilen aufgereihte Zeichen, auch die Leere zwischen den Zeilen, messen Zeit ab. Natürlich nicht nur die Zeit des schreibenden Zeichnens, des physischen Tuns.
Bei Partituren ist das ähnlich und es überrascht nicht, dass El Haïk Komposition studiert hat, bevor sie zur Zeichnung kam. Noch immer komponiert sie. Und beides, Musik und Zeichnung, indem sie Takt und Mass geben, setzen Zeit erst.
Die Ausstellung „Time Lines“ zeigt jüngere Arbeiten von El Haïk. In der Summe nur wenige Zeilen aneinander gereihter, bedeutungsloser Zeichen. Minimalistische Wieder-holung, kaum Variationen, allenfalls in der Weise, wie sich die Zeilen aufeinander beziehen, wie sie das Blatt, eine Serie an Blättern, schliesslich ein ganzes Heft organisieren und komponieren.
Die timeline als Zeitleiste dient im Allgemeinen dazu, dem Laufen und Verlaufen der Zeit Herr zu werden. Es geht um Kontrolle, um das in der Zeit bleiben, schliesslich um die grosse Erleichterung, die dem Schrecken der verlaufenden Zeit auch noch bei einiger Verspätung entkommt.
Kontrolle der Zeit und des physischen Selbst, das da zeichnet, ist auch für El Haïks „Time Lines“ ein zentrales Motiv. Ihr Zeichnen lässt sich Zeit, aber in der minimalistischen, mitunter obsessiven Wiederholung kehrt auch der Schrecken zurueck.
Text von Helmut Bauer