Die Galerie Max Hetzler freut sich, Frau am tisch mit früchten zu präsentieren, André Butzers dritte Einzelausstellung in Paris.

Ernsthaft und streng fasst André Butzer die Dinge und stellt sie in erschütternder Klarheit ins Bild: Tisch, Früchte, Frau. In vier monumentalen Gemälden, geschaffen für den Hauptsaal der Galerie, verschränkt er sie zu einem flächig gebauten Ganzen: Frau am tisch mit früchten (1–4), 2024–2025.

Mit jedem Bild führt uns Butzer an dieselbe Schwelle. Eine rote Fläche, die, vom Weiß der Leinwand umsäumt, im Bild einen enormen Innenraum öffnet. Dieses reichhaltige Rot ist nicht nur Umgebungsfarbe, es ist der Ort des Bildes selbst. Butzer nimmt alle Raumbezüge in totaler Flächigkeit zusammen. Das Bild als Ganzes ist Farbfeld, Zimmer, Wand, Boden, Tafel, Tisch und sogar Tischdecke.

Mit leichten und transparenten Strichen lässt er die Fläche in die Tiefe schwingen. Das Bild schwingt in der Fläche und in der Tiefe des Farbraums, ist zugleich flächig und unendlich tief. Nähe und Ferne, Fläche und Raum, Grund und Figur sind unauflösbar verbunden. Spürbar entzogen, doch ebenso nah und berührbar. Malerisch ist dies so einfach und so groß empfunden, dass jedes Bild diese Gegensätze in sich vereinen kann.

Das Rot ist strahlend und bewegt, doch wird es immer wieder von feinen, horizontalen und vertikalen Fugen durchzogen – die Grundrichtungen des Bildgefüges. Entlang dieser Achsen oder Scharniere fügen sich die Bildpläne wie Wandpaneele und Dielen zueinander.

Unmittelbar ins Rot setzt Butzer einen dunkelvioletten Block oder, in Frau am tisch mit früchten (3), ein leicht angeschnittenes hellblaues Rund. Eine spärliche Möblierung. Auf und um diese ›Tische‹ herum beziehungsweise auf den tischhaften Bildfeldern befinden sich leuchtende, wahrscheinlich mediterrane Früchte: Pfirsiche, Orangen, Äpfel und Zitronen. Ausgelegt und ausgestreut, herabsinkend und aufsteigend, umherschwebend – doch stets fest am eigenen Platz. Und über allem erscheint ein einzelner Frauenkopf, rot eingebettet und eingelassen wie ein Medaillon auf einer Wand.

Keines dieser Interieure besitzt ein eindeutiges Zentrum. Die Formen, Flächen, Dinge und Figuren sind asymmetrisch verteilt und wie mit der Schere geschnitten voneinander abgehoben. Allein in seiner meisterhaften Beherrschung des elementaren Beziehungswesens der Grundfarben Rot, Gelb, Blau, der Fleischfarbe als Verkörperung menschlicher Anwesenheit und wenigen Komplementärkontrasten erreicht Butzer eine koloristische Solidität, die den Bildern sicheren Stand verleiht.

Auf manchen Bildern sind Türen oder Fenster zu ahnen. Diese Durchlässe aber sind, Rot in Rot gemalt, verhüllt und führen zurück auf die Fläche. Sich selbst zugewandt, offenbaren die Bilder selbstbewusst ihre eigene Bildlichkeit. Und doch ist alles, das erscheint, hell und gelichtet. Jede Farbe strahlt mild in ihrem Eigenlicht. Das Bildfeld selbst ist eine Lichtung, Ort reinen Erscheinens, Offenbarung.

Die Frau mit lichtblauen Augen und golden geordnetem Haar ist einfach da. Denn, wenn die Leinwand der Ort der Farbe und die Farbe der Ort der Erscheinung ist, bringen sich Butzers Frauen in und aus sich selbst zur Erscheinung. In ihrer scheinbaren Serialität ist jede von ihnen einmalig, als junges Mädchen, als Frau. Beinahe festlich in Stimmung und Gebärde ist die Frau einfühlsam einbezogen in das sanft schimmernde, rote Farbfeld. Schmückt sie Tisch und Bild mit Früchten? Versammelt sie diese oder schenkt sie freimütig her? Gibt oder nimmt sie Leben?

Als wohne sie mit zartem Lächeln und gelassener Heiterkeit in ihrem Möglichen, blickt die Frau über das bloß Sichtbare hinaus. Doch wohin schaut sie? Welches Erscheinen erwartet sie? »Sie schaut nach anderswo. Ihr Blick«, sagt Butzer, »ist rein. Er ist der Wahrheit verbunden. Es ist interessant, nach dem Ausschau zu halten, worauf ihre Augen deuten.«1

Das dunkle Blau der Augen und das Himmelblau des Tischs sind etwa auf Frau am tisch mit früchten (3) wechselseitig aufeinander bezogen. Oder ist es der Himmel, der sich von draußen her im Tisch spiegelt wie im Wasser oder einer Schale? Vielleicht ist der Tisch aber auch selbst der Himmel, dessen blauen Schimmer wir, herabschauend aus noch höherer Sphäre, erspähen?

Die Farben und Tische, die Früchte und Frauen treten in und aus der Erscheinung und in diesem zyklischen Zugrundegehen und Wiederkehren erfüllt sich für Butzer das Bild. Nichts geht verloren. Alles ist aufgehoben im vollzähligen Dasein des Bildes, in dem auch die Zeit flächig ist. Zeitlichkeit als Fläche, auf der alles, was war, ist und erst noch sein wird, gleichzeitig anwesend ist. Immer wieder von neuem. Bleiben und Standhalten.

Auch die Früchte haben Anteil an diesem zeitlichen Bezug. Sie sind selbst zyklisch in sich gerundet und verkörpern Anfang, Geburt und Leben, Reife, Vergehen und Tod, Neubeginn, Wiedergeburt und erneutes Reifen. Ihre farbige Erscheinung birgt Gewesenes und Kommendes, ist schmückende Zierde und schützende Hülle, Vollendung des alten und Gefäß des neuen Lebens. Butzer sieht all dies zusammen.

Auch dann noch, wenn wie auf Tisch mit Früchten, 2025, plötzlich die Figur fehlt. Doch der menschliche Bezug ist beständig da. Indem Butzer die Welt, wenn auch nur für Augenblicke, im Stillleben fassbar macht, gibt er gelebten Erfahrungen einen Ort, der uns betrifft und mit einbezieht. Ein Aufenthalt, kurzes Verweilen, vielleicht sogar Wohnen im Schein eines Bildes, das uns die verborgenen, nur uns zugemessenen Daseinsmöglichkeiten erkennen lässt.

André Butzers Bilder sind welt-haltig, weil sie wahrhaft sind und ganz. Die Wahrheit wohnt im Eigenlicht der Farbe, einem Antlitz, einer Girlande aus Früchten, auf einem Stuhl mit gelber Lehne, in Leib und Seele, tiefster Schwärze und ganz gewiss im Küchenofen. Die seinen Bildern innewohnende und zu vollem Austrag gebrachte Erfahrung stellt er vor uns hin, bewahrend und schenkend: »den Lebensweg lesbar machend und / beschreitbar machend – / also dem Tode bewusst entgegen leb- und / sterbbar lebend / sterbend sein … / und damit: / dankend dankbar sein«2.

(Text von Christian Malycha)

André Butzer (geb. 1973, Stuttgart) lebt in Berlin. Einzelausstellungen seiner Arbeiten fanden in internationalen Institutionen statt, darunter Gesellschaft für Gegenwartskunst, Augsburg; Museo Novecento, Florenz; Museo Stefano Bardini, Florenz; St. Nikolaus, Innsbruck; nw9 Kunstraum der Stiftung Kunstwissenschaft, Köln (alle 2024); Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid; Kebbel Villa | Oberpfälzer Künstlerhaus, Schwandorf; Sammlung Miettinen, Berlin; Kunstverein Friedrichshafen (alle 2023); Friedrichs Foundation, Weidingen (2022); Yuz Museum, Shanghai; Museum of the Light, Hokuto (beide 2020); IKOB Musée d'Art Contemporain, Eupen (2018); Växjö Konsthall, Växjö (2017); Bayerisches Armeemuseum, Ingolstadt; Neue Galerie Gladbeck (beide 2016); Kunstverein Reutlingen (2015); Halle für Kunst, Graz (2014); Kestnergesellschaft, Hannover; Kunsthistorisches Museum / Theseustempel, Wien (beide 2011); Kunsthalle Nürnberg (2009); Kunstverein Ulm (2005); und Kunstverein Heilbronn (2004), unter anderem.

Butzers Werke befinden sich in den Sammlungen von Institutionen wie der Aïshti Foundation, Beirut; Art Institute of Chicago; Aurora Museum, Shanghai; Carré d'Art, Nîmes; Children's Museum of the Arts, New York; CICA Center of International Contemporary Art, Vancouver; Sammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland, Bonn; Deichtorhallen, Hamburg; Friedrichs Stiftung, Weidingen / Bonn; Galerie moderního umění, Hradci Králové; Galerie Stadt Sindelfingen; Hall Art Foundation, Reading / VT | Derneburg; Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, Berlin; Hölderlinturm, Tübingen; IKOB Musée d'Art Contemporain, Eupen; Kupferstichkabinett / Staatliche Museen zu Berlin, Berlin; LACMA Los Angeles County Museum of Art; Marciano Art Collection, Los Angeles; MARe Museum, Bukarest; MOCA Museum of Contemporary Art, Los Angeles; Musée d'art Moderne de Paris; Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid; Museo Novecento, Florenz; Museum Reinhard Ernst, Wiesbaden; Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen; Pinakothek der Moderne, München; Rubell Museum, Miami; Sammlung Goetz, München; Space K, Seoul; Sammlung Ståhl, Norrköping; Städtische Galerie im Lenbachhaus / Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München; Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck; University of Washington, Seattle; Wooyang Museum of Contemporary Art, Gyeongju-si; und Yuz Museum, Shanghai.

Notizen

1 André Butzer im Gespräch mit Hyewon Hwang und Geunho Ahn, »Why André Butzer did not smile?«, in: Vogue Korea, Dezember 2023.
2 André Butzer aus »Instinkt und Schicksal« (15. Oktober 2024), in: André Butzer: Pressemitteilungen, Briefe, Gespräche, Texte, Gedichte. Band 4: 1983–2025, hrsg. Alexander Linn, Wien: Verlag für moderne Kunst, 2025.