Uber die Frage des Seins haben sich viele berühmte Persönlichkeiten den Kopf zerbrochen. Von Kant über Heidegger, von Aristoteles bis Nietzsche, es sind viele Bücher geschrieben und viele Reden gehalten worden, und dennoch fragen wir uns heute immer noch was das Mensch-sein, oder simpler gesagt, die humane Existenz denn nun ausmacht.
In den Fotoarbeiten von Alexa Hoyer kann man einige Ansatzpunkte finden die bei der Antwortsuche helfen und interessante Hinweise auf unerwartete Antworten geben.
Alexa Hoyers Fotoserie ‘Targets’ ist im vermüllten Hinterland von Las Vegas entstanden, welches sowohl traurig und vereinsamt erscheint, aber auch eine magnetische Wirkung an sich trägt. Objekte, die an aus dem Himmel gefallene Skulpturen ähneln, dominieren den Vordergrund. Sie grüßen den Betrachter wie Lebewesen aus vergangenen Zeiten und anderen Welten und der einzige Hinweis auf eine Beziehung zu unserem Sein sind ihre durchlöcherten Strukturen, die auf die vielen Schiesstrainings zurückzuführen sind, die täglich in dieser Gegend, völlig unreguliert, stattfinden.
Die zusammengewürfelten Objekte erscheinen wie sorgfältig erstellte Skulpturen die wie aus Geisterhand in die Einsamkeit der Wüste niedergelassen worden sind. Obwohl sie aus Abfallprodukten zusammengesetzt sind, haben sie menschliche Züge. Es stellt sich die Frage ob erst die Objekte und dann die Schützen kamen, oder umgekehrt, denn die Skulpturen, dienten (und dienen immer noch) als Zielscheibe öffentlicher Schießübungen und dementsprechend einem Zeugnis sozialen Geschehens. Von persönlichen Gegenständen wie Kinderpuppen, Geschenkpapier und Elektrogeräten, bis hin zu privaten Fotoalben, nichts ist nicht durchschossen und nichts konnte dem Bedarf an Zerstörung entfliehen.
Sowohl ihre (konzeptuelle) Identität, als auch ihr Erscheinen, unterliegt ständiger Veränderung bis hin zur totalen Entstellung. Die Dokumentation der langsamen Zertrümmerung und Entleerung dieser Körper, alle Produkt und Abfall unserer Gesellschaft, und letztendlich ein Beweis dass wir, der Mensch, dort waren und sind, lädt außerdem ein, um über eine interessante Metapher nachzudenken: unser Sein auf der Erde, begründet durch die Produkte unserer kapitalistischen Gesellschaft, die am Aufbau und am Zerfall der eigenen Existenz gleichzeitig arbeitet.
Die Arbeiten sind nun in der Ausstellung ‘Tested Ground’ im Majorie Barrick Museum of Art zu sehen. Das Barrick Museum, wie es im Jargon genannt wird, dient nicht nur der Kunstvermittlung und Ausstellungskultur, es beherbergt außerdem die Sammlung des Las Vegas Art Museums und widmet sich der Förderung von Kunst und Künstlern die sich mit der Region Nevada und der amerikanischen Kultur generell auseinandersetzen. Alle Künstler dieser Ausstellung haben eine besondere Verbindung mit South Nevada und die Werke sind alle im direkten Dialog mit der Wüste von Las Vegas entstanden.
In diesem Sinne geben vor allem Hoyers Fotografien einen besonderen Einblick in eine Welt, die so am Rande des Geschehens zu sein scheint, dennoch emblematisch den Zeitgeist Amerikas widerspiegelt. Die Aktualität zweier politischer Brennpunkte, der freie Waffenhandel/-besitz und die Umweltverschmutzung auf Grund eines übertriebenen Konsumverhaltens, werden hier subtil angesprochen. So traurig der Diskurs auch ist, in der augenscheinlichen Verlassenheit dieser einst planlos zusammengesetzten Konstrukte leuchtet nun eine unbeschreiblich verführerische Aura. Der Kugelhagel dem sie alle ausgesetzt waren hat nicht zur totalen Erlöschung geführt sondern zu einer Art Neugeburt. Hoyer gelingt es durch die Fotografie den Atem der Existenz innezuhalten und den Keim des noch existierenden Lebens zu verewigen.
Die Ausstellung ist bis zum 16. September 2017 im Majorie Barrick Museum of Art, Las Vegas (USA), zu sehen.