Über den Künstler William Crawford ist nur wenig bekannt. Seine erotischen Zeichnungen wurden in einem leerstehenden Haus in Oakland, Kalifornien gefunden. Crawford hat auf die Rückseite von Dienstplänen aus einem kalifornischen Gefängnis gezeichnet, auf farbiges oder beschädigtes Papier unterschiedlichen Formats – als Bildträger diente ihm offenbar, was gerade zur Hand war. Einige der etwa 950 Arbeiten sind signiert und datiert, sie stammen aus den 1990er Jahren. Die Ästhetik der sexuellen Fantasien knüpft aber an Gangster- und Pornofilme der 1970er und 1980er Jahre an. Es lässt sich daher vermuten, dass William Crawford viele Jahre im Gefängnis eingesessen hat.
Die erotischen Zeichnungen überzeugen durch eine virtuose Raumaufteilung, ungewöhnliche Perspektiven und das Spiel mit ausgearbeiteten und nur angedeuteten Bildbereichen. Assoziieren lassen sich auch die verspielte Erotik eines Eric Stanton oder Tom of Finland. Charakteristisch ist eine stilisierte Skyline im Bildhintergrund sowie reduzierte Interieurs, die an die Hintergründe von einfachen Fernsehstudios erinnern. Crawford zeichnete neben erotischen Begegnungen zwischen Mann und Frau, Gangsterszenen, gemeinschaftlichen Drogenkonsum und Gruppensex. Wiederkehrende Figur dieser Fantasien ist ein Mann mit kurzem Afro und Schnauzbart – vermutlich der Künstler selbst.
Auf einigen Blättern finden sich geschriebene Dialoge. In Anlehnung an Comics hat Crawford stets Bildgeschichten gezeichnet, deren Zusammenhänge sich im Ouevre auf bis zu 30 aufeinander folgende Blätter rekonstruieren lassen. Seine Geschichten sind erotisch, humorvoll, unheimlich und pornografisch. Sie zeigen faszinierende Szenen der Lust, Ausschweifung und sexuellen Befriedigung. In einem einzigartigen Zeichenstil machen sie die Fantasien eines Mannes sichtbar, der vermutlich für Jahre von der Außenwelt und damit der Realisierung seiner Vorstellungen abgeschnitten war.
Die Ausstellung ist die erste Präsentation von William Crawfords Arbeiten in Berlin. Besonders in den letzten Monaten wurde seinem Werk viel Aufmerksamkeit zuteil, unter anderem durch die Ausstellung “System & Vision” bei David Zwirner, New York.